Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt
kein Problem.
Leider habe ich keine Erinnerung an meine Gedanken in dem Augenblick, als ich an die Überlaufkante geschwemmt wurde. Man erzählte mir, ich hätte geschrien – demnach können es keine angenehmen Gedanken gewesen sein. Und das ist eigentlich kein Wunder. Kaum auszudenken, was einem Wasser, Steine und die Schwerkraft antun können (in meinen Fall waren es drei gebrochene Wirbel, zerschmetterte Fußknochen, eine Gehirnerschütterung und Schnittwunden). Trotz der unerfreulichen Reiseerfahrung habe ich es immer geschafft, die positive Seite des Unfalls zu sehen. Ich lebe noch. Ich kann noch laufen. Und ich bin nur ein halber Tscheche.
J. Maarten Troost ist der Autor von Lost on Planet China: The Strange and True Story of One Man’s Attempt to Understand the World’s Most Mystifying Nation or How He Became Comfortable Eating Live Squid .
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50. Picher, Oklahoma
A ls Ferienziel hat Picher im Bundesstaat Oklahoma einen klaren Vorteil: die Ruhe. Wenn Sie an einem Wochenende kommen, werden Sie voraussichtlich die einzige Person im Ort sein. Die Regierung hat allen anderen nämlich viel Geld dafür gezahlt, dass sie gehen.
Das liegt daran, dass die Stadt, die einst sechzehntausend Menschen Lohn und Brot bot, auf einem mit Schwermetallen verseuchten Boden erbaut ist. In den Blei- und Zinkminen wurden allein im Jahr 1925 fünfhunderttausend Tonnen Erz gefördert; in beiden Weltkriegen wurden Kugeln aus dem Metall aus Picher benutzt.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann der Zusammenbruch von Picher. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Aufgrund natürlicher und von Menschenhand gegrabener Höhlen unter der Stadt wurde die Hauptstraße wegen Einbruchgefahr bereits in den 1950er-Jahren gesperrt, und 1967 versanken neun Häuser in einer stillgelegten Mine.
Von diesem Zeitpunkt an ging es wirklich bergab. Nachdem die letzte Mine in Picher in den 1970er-Jahren geschlossen wurde, fielen einem Bauern orangefarbene Flecken auf dem Fell seiner Schimmel auf. Er folgte seinen Pferden auf die Weide und entdeckte, dass das Wasser im nahe gelegenen Tar Creek orange gefärbt war; es handelte sich um Säuren, die aus den verlassenen Bergwerken sickerten. Die Schwermetallbelastung des Bodens war so hoch, dass Picher im Jahr 1983 zum ersten ökologischen Notstandsgebiet Amerikas erklärt wurde.
Trotzdem überlebte die Stadt, bis ein Arzt und eine Krankenschwester Mitte der 1990er-Jahre feststellten, dass eine außergewöhnlich hohe Anzahl von Kindern aus Picher schulische Probleme hatte. Es waren dieselben Kinder, die mit Vorliebe auf den fast 30 Meter hohen Abraumhalden spielten, die rings um die Stadt zu finden waren. Man forderte die Eltern der Kinder zu Bluttests auf. Das Resultat bestätigte die schlimmsten Befürchtungen: Mehr als 190 Schüler litten an Bleivergiftung.
Man sollte meinen, dass all das – die Erdrutsche, der ökologische Notstand und die Bleivergiftung der Kinder – ausreichen müsste, um Menschen aus eigenem Antrieb zu einem Umzug zu bewegen. Als die Regierung nach einem Gutachten, das noch größere Erdrutsche im Stadtgebiet prognostizierte, im Jahre 2006 jedoch mit der Umsiedlung der Einwohner beginnen wollte, weigerte sich eine erstaunlich große Zahl von Bürgern, die Stadt zu verlassen.
Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit Picher und setzte noch einen drauf. Am 10. Mai 2008 traf ein zerstörerischer Tornado die Stadt mit voller Wucht, tötete mindestens sechs Personen und verwüstete etwa die Hälfte der noch existierenden Gebäude. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Heute ist Picher eine Geisterstadt. Die einzig verbliebenen Sehenswürdigkeiten sind zerfallene Häuser, der unrühmliche orangefarbene Bach und ein Sumpf voll mit schwimmenden Autoreifen.
51. Der Freizeitpark Tierra Santa
S ie sind in Argentinien und stehen auf einer Art altmodischem Marktplatz. Um Sie herum stehen Esel, Schafe sowie mehrere Dutzend bärtige Männer identischen Aussehens, die allerlei unangenehmen Beschäftigungen nachgehen. Einer wird gerade geschlagen. Ein anderer legt einem Aussätzigen die Hand auf. Der Nächste trägt ein riesiges Kreuz. Sie strecken die Hand aus, um einen dieser Männer zu berühren. Er reagiert nicht. Seine Haut ist kalt und hart. In diesem Augenblick erhebt sich ein sechs Etagen hoher Jesus aus einem künstlichen Berg. Er richtet die Hände zum Himmel. Eine niedrig fliegende 747 droht, ihm einen Scheitel zu ziehen. Aus den umliegenden
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