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Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt

Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt

Titel: Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Price
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Palmen ertönt der Messias von Händel, und im Hintergrund ist Kindergeschrei zu hören.
    Nein, es handelt sich nicht um einen bösen Traum. Sie befinden sich im Freizeitpark Tierra Santa in Buenos Aires, einem der weltgrößten Themenparks überhaupt, der sich ganz dem Heiligen Land verschrieben hat. Er liegt gleich neben einem familienfreundlichen Wasserpark und unweit eines großen Flughafens. Im Übrigen erfreut er sich eines der wenigen Kruzifixe, deren Rückseite mit einer Wasserrutsche versehen sind.
    Weil der Park von einem renommierten plastischen Künstler entworfen wurde, sind die meisten Tiere nicht echt. Ebenso wenig wie die Palmen, die Bettler und die Huren (die Bauchtänzerinnen sind eine andere Geschichte). Die großen Mengen Plastik zeigen sich vor allem, wenn Sie nach El Pesebre gescheucht werden, den ersten Themenbereich des Parks. Hier wird die Weihnachtsgeschichte von Plastikrobotern in Lebensgröße in der angeblich »weltgrößten Krippenszene« dargestellt. Ab und zu sorgen technische Probleme für eine Verspätung der Geburt Jesu, weil jedoch Maria etwa jede halbe Stunde erneut von Wehen heimgesucht wird, dauert es niemals lange bis zur nächsten Vorstellung.
    Nachdem Sie den Sohn Gottes auf Erden willkommen geheißen haben, dürfen Sie den restlichen Park nach eigenem Gutdünken erforschen. Ein nächster interessanter Stopp könnte beispielsweise die Schöpfungsgeschichte sein: ein Mittelding zwischen Lasershow, Religionsunterricht und zoologischem Garten. Am Anfang herrscht Dunkelheit, die jedoch schon bald von einem grünen, tanzenden und schimmerndem Lichtstrahl aus einem kleinen Loch erhellt wird, während eine tiefe, göttliche Stimme spanische Worte spricht. Ein Donner grollt, und trockenes Land entsteht, auf dem, ehe Sie wissen, den wievielten Tag Sie gerade erleben, die ersten Tiere erscheinen. Eine Giraffe, ein Elefant und ein elektronisch gesteuerter Affe werden gravitätisch auf einer etwas ruckeligen Holzplattform hereingefahren. Das Ganze erinnert an ein Schauspiel in einem Schultheater und endet mit der Erschaffung von Adam und Eva.
    Die Imbissbuden des Parks bieten biblische Gerichte wie Empanadas und Huhn Shawarma an. Sollte Ihnen der Sinn eher nach dem letzten Abendmahl stehen, müssen Sie sich allerdings mit einer Plastikversion zufriedengeben – es gehört zu den siebenunddreißig Darstellungen wichtiger biblischer Ereignisse im Park. (Einige Darstellungen, wie das »Schweißtuch der Veronika« oder »Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz« sind zwar Stationen des Kreuzwegs, werden aber den Erwartungen nicht gerecht und hätten sogar schon im Vorhinein gestrichen werden können.) Im Übrigen verfügt derPark über einen kleinen Tempel, eine Moschee und aus einem Grund, der sich mir nicht ganz erschließt, über eine Ausstellung, die sich Mahatma Gandhi widmet.
    Das Schmankerl von Tierra Santa aber ist natürlich die Auferstehungsszene – eine Darstellung, die je nach Tiefe Ihres Glaubens entweder atemberaubend, frevlerisch oder einfach nur urkomisch wirkt. Einmal pro Stunde verweisen die Parkangestellten alle Besucher auf den Kreuzigungshügel. Während die Leute noch ihre Kameras in Position bringen, erhebt sich ein zwanzig Meter hoher Plastikjesus mit weit ausgebreiteten Armen gen Himmel. Er dreht sich langsam um die eigene Achse, blinzelt und wendet die Handflächen nach oben. Aus den in Plastikpalmen verborgenen Lautsprechern ertönt ein »Halleluja«, dessen triumphale Melodie nur von dem Dröhnen der gerade gestarteten Flugzeuge übertönt wird.
    Die Wiedergeburt

52. Ein Vomitorium

    H ier serviere ich Ihnen einen wissenswerten Happen, mit dem Sie beim nächsten Cocktailempfang glänzen können: Ein Vomitorium ist nicht etwa der Ort, an den die alten Römer zum Kotzen gingen.
    Ich weiß, Sie glauben mir nicht. Dank eines Missverständnisses, das meist in der sechsten Klasse in Geschichte vermittelt wird, hält fast jeder ein Vomitorium für den Raum, in dem die Römer sich nach heftigen Zechgelagen übergaben. Dies wäre dann eigentlich nur eine weitere, seltsame Sitte der Römer, ähnlich wie das Tragen von Togas oder das Formulieren von Worten in lateinischer Sprache. Trotzdem erscheint es durchaus weniger merkwürdig, eine flektierte Sprache zu sprechen, als in seinem Haus einen Raum zu haben, der nur dem Erbrechen gewidmet ist. Natürlich frönten die Römer gern der Völlerei, doch sie brauchten keine eigens für die Folgen eingerichteten

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