Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt
gefährlichste. Genau genommen handelt es sich um eine Art Backofen, der mit vielen Kilo Steinen gefüllt ist, die man über Nacht aufheizt und während des Tages langsam auskühlen lässt. Die Steine speichern so viel Wärme, dass im Raum auch Stunden nach dem Abschaltennoch eine schier unerträgliche Hitze herrscht, was das Vorhandensein weißer Eimer und mehrerer Wasserhähne mit eiskaltem Wasser erklärt. Normalerweise sitzt man so lange in der Sauna, bis man die Hitze nicht mehr aushält. Dann füllt man einen der Eimer und entleert ihn über seinem Kopf. Saunafans erklären das anschließende Gefühl als »schieres Entzücken«, doch eine detailliertere Beschreibung müsste auch über einen Schock und kurzzeitige Atemprobleme berichten. Wenn Sie zu einer kardiologischen Risikogruppe gehören, sollten Sie auf diese Erfahrung vielleicht lieber verzichten.
Wenn Sie aber Ihr Glück wirklich herausfordern wollen, dann melden Sie sich zu einer echten Banja-Behandlung an. Ein Mitarbeiter des Bades wird Sie auffordern, sich hinzulegen, und anschließend mit einem Bündel in Olivenöl eingelegter Eichenzweige leicht auf Sie einschlagen (die Blätter, die eine leicht adstringierende Wirkung haben, bewirken ein Peeling und öffnen die Poren). Meist findet diese Behandlung direkt in der Russischen Sauna statt, was bedeutet, dass Sie nicht nur von allen Anwesenden beobachtet werden, sondern dass Sie zudem den hohen Temperaturen ausgesetzt sind und vielleicht keine Luft mehr bekommen. Aber dann, kurz bevor das Ende naht, wird Ihrem Körper der finale Schock zuteil: Man fordert Sie auf, sich hinzusetzen, Ihre Augen zu schließen und schüttet Ihnen ohne Vorwarnung einen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf.
55. Der Blarney-Stein
N iemand weiß ganz genau, woher der Blarney-Stein stammt. Manche behaupten, er sei ein Teil der Klagemauer in Jerusalem gewesen und während der Kreuzzüge nach Irland gebracht worden. Andere wiederum glauben, es handele sich um ein Stück des Steins von Scone, das man im Jahr 1314 Cormack MacCarthy zum Dank für seine Hilfe bei der Schlacht von Bannockburn geschenkt hat. Es gibt sogar Leute, die der festen Überzeugung sind, es handele sich um den Felsen, aus dem Moses mit seinem Stab Wasser geschlagen habe, als es die Israeliten in der Wüste dürstete.
Ganz gleich jedoch, welches dieser Gerüchte – falls überhaupt – zutrifft, liefert es dennoch keine Erklärung dafür, warum man einen Stein von solcher Wichtigkeit völlig unauffällig in die Außenmauer eines Schlosses aus dem 15. Jahrhundert eingebaut haben sollte. Aber darum geht es gar nicht. Der besagte Stein in der Außenmauer von Blarney Castle, einem Schloss, das etwa acht Kilometer von der irischen Stadt Cork entfernt liegt, besteht aus Blaustein und soll jedem, der ihn küsst, Beredsamkeit und ein Talent zur Schmeichelei schenken. Und so kommen seit über zweihundert Jahren Pilger aus aller Welt und küssen die Oberfläche dieses Steins in der Hoffnung auf ein eloquentes Mundwerk.
Bedauerlicherweise ist der Stein für Möchtegern-Redner nicht ganz leicht zu erreichen. Um ihm einen Kuss aufzudrücken, muss man nicht nur bis in die äußerste Spitze des Schlosses hinaufsteigen, sondern sich auch über eine Brüstung lehnen, wonach man in der Luft über dem Abgrund schwebt. In einer längst vergangenen Zeit, als es noch keine Haftpflicht gab, hielt man Besucher an den Fersen fest und ließ sie kopfüber von der Mauer baumeln. Inzwischen kann man sich an einem Metallgeländer festhalten, zudem werden unvorsichtig Küssende durch ein Gitter vor einem Sturz in die Tiefe bewahrt.
Die Kräfte des Steins sind umstritten. Eines aber steht außer Frage: Der Blarney-Stein ist der Albtraum eines jeden Menschen, der Angst vor Mikroben und Keimen hat. Der Block wird jedes Jahr von circa vierhunderttausend Menschen geküsst, die alle eine Speichelspur auf den Unebenheiten hinterlassen. Das Busseln verschafft Ihnen damit vielleicht nicht die erwartete Beredsamkeit, sondern unter Umständen ein ganz anderes Souvenir: durch Speichel übertragenen Herpes, Warzen oder auch ein Pfeiffer’sches Drüsenfieber. Zumindest können Sie sicher sein, sich auf diese Weise nicht mit Meningitis anzustecken – zur Übertragung dieser Krankheit durch einen Kuss müssten Sie schon einen innigen Zungenkuss anbringen.
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