Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt
beste. Meine erste Reise nach Beijing unternahm ich unmittelbar nach der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Jugoslawien durch die Vereinigten Staaten. (Niemand begrüßt Sie so herzlich wie der Pöbel, der gerade dabei ist, Ihre Botschaft mit Steinen zu bewerfen.) Zwei Jahre später buchte ich einen Rückflug von Paris nach New York am 13. September 2001. Wiederum zwei Jahre später flog ich nach Rio de Janeiro, genau zu der Zeit, als Drogengangs die Stadtbusse abfackelten. Als ich just am Tag des Ausbruchs der Schweinegrippe zu einem Urlaub in Mexico City eintraf, waren die Folgen natürlich absehbar.
Voller Vorfreude bestieg ich das Nachtflugzeug, denn die Nachricht von der Krankheit wurde erst einige Zeit später publik. Und so erreichte ich Mexico City so ahnungslos, wie ich gestartet war. Wild entschlossen, das echte Mexiko zu entdecken, entschied ich mich, statt eines Taxis die U-Bahn zu nehmen.
Erst auf dem unterirdischen Bahnsteig stellte ich fest, dass etwas nicht stimmte. Ich entdeckte mehrere Menschen, die blaue Atemschutzmasken trugen. Merkwürdig, dachte ich. Zwar ist Mexico City nicht unbedingt für seine saubere Luft bekannt, aber das fand ich denn doch ein wenig übertrieben.
Ich verbrachte den Vormittag damit, im historischen Stadtzentrum herumzuspazieren und wurde zunehmendneugierig auf die Masken. Trotzdem dachte ich nicht weiter darüber nach, bis ich den Empfangschef an der Rezeption meines Hotels nach abendlichen Konzertveranstaltungen fragte.
»Es gibt keine«, erklärte er.
Das verstand ich nun überhaupt nicht. Es war Freitag, und ich befand mich in einer der größten Städte der Welt. Wahrscheinlich lag das Missverständnis an meinem Spanisch, und daher versuchte ich es mit einfacheren Worten.
»Musik. Heute Abend. Wo?« Zur Unterstützung des Verständnisses spielte ich ein wenig Luftgitarre.
»Alles ist geschlossen«, antwortete der Mann.
Verwirrt wandte ich mich an einen anderen Touristen in der Lobby und fragte ihn, was los war. »Hier ist die Schweinegrippe ausgebrochen«, sagte er. »Die Stadtverwaltung hat alle öffentlichen Veranstaltungsorte geschlossen.« Ich versuchte mein Glück an einem Internet-Terminal und fand die Titelzeile, die es der ganzen Welt verkündete: »Schweinegrippe lähmt Mexico City.« Offenbar hatte ich ein halbes Monatsgehalt dafür geopfert, in eine von einer tödlichen Plage befallene Stadt zu reisen.
Da ich überzeugt war, den sicheren Tod vor Augen zu haben, bemühte ich mich um ein wenig Ablenkung. Doch die Tatsache, dass die Stadtverwaltung tatsächlich alle Örtlichkeiten mit viel Publikumsverkehr geschlossen hatte – Konzerte, Restaurants, Nachtklubs und sogar Ausgrabungsstätten – blieb mir nichts zu tun. Stattdessen schlenderte ich durch fast leere Straßen und amüsierte mich damit, Leuten zu folgen, die ihre Atemmaske witzig ausstaffiert hatten. Ich sah eine Frau, die ihre Maske mit einem großen Smiley bemalt hatte und einen Grufti-Teenager mit stachelbesetztem Halsband und spitzabstehendem Haar, dessen knallblaue Maske überhaupt nicht zu der ganz in Schwarz gehaltenen Kleidung passen wollte.
Ich fühlte mich sehr einsam, was noch dadurch verstärkt wurde, dass Mexico City sehr hoch liegt und die Luft extrem trocken ist. Weil ich daran nicht gewöhnt war, musste ich häufig husten, was wiederum dazu führte, dass meine gesamte Umgebung annahm, ich hätte mich mit Schweinegrippe angesteckt und würde ihnen den sicheren Tod bringen.
Dann, am Montag, wurde die Stadt auch noch von einem Erdbeben der Stärke 5,6 heimgesucht.
Trotzdem war nicht alles schlecht. Am Abend des Dienstags zeigte sich ein mexikanischer Freund wild entschlossen, mich irgendwohin auszuführen. Nachdem er sich mit sämtlichen Freunden in der Stadt beratschlagt hatte, fand er das einzige geöffnete Etablissement der gesamten Umgebung: einen Irish Pub, der außerhalb der Stadtgrenzen lag und damit nicht unter die restriktiven Maßnahmen fiel. In einer Metropolregion mit fast neun Millionen Einwohnern trafen wir uns zur trendigsten, quirligsten Abendveranstaltung, die man sich nur vorstellen kann. Außer uns waren noch fünf Stammgäste da. Doch zumindest schenkten sie Tequila aus.
Michael Baldwin hat das CommonCensus Map Project [11] ins Leben gerufen.
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56. Wiener’s Circle
W as das Essen betrifft, so ragt Wiener’s Circle, ein Fast-Food-Restaurant in Chicagos Lincoln Park, nicht aus der Masse seiner Mitbewerber hervor. Es gibt fettige Burger
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