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Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt

Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt

Titel: Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Price
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etwa siebzigtausend Besucher pro Tag erbaut wurde.
    Leider kamen diese Kunden nie. Im Juni 2008 war kaum ein Dutzend der fünfzehnhundert Ladenlokale belegt. Statt Käufergedränge herrschte gähnende Leere. Die langen, hallenartigen Gänge blieben menschenleer. Bis auf einige gelangweilte Verkäufer und vereinzelte Sicherheitsbeamte war niemand zu sehen. Die Rolltreppen standen still, ihre Handläufe waren mit staubigem Plastik bedeckt. Vom ersten Augenblick an liefen die Geschäfte so schlecht, dass einige der Attraktionen im Freizeitpark nie eröffnet wurden. »Die Mall stand vom Anfang an unter einem schlechten Stern«, schrieb ein Journalist. »Man könnte meinen, dass die Bauträger ein Objekt eröffnen wollten, das nur für Kunden mit einem Hang zu Verlassenheit und Verfall gedacht war.«
    Trotz der deprimierenden Mall strotzt die Werbung für die Anlage vor fast aggressiver Heiterkeit. »Haben Sie Lust, auf eine traumhafte Reise zu gehen?«, fragt der Prospekt für den Freizeitpark »Amazing World«, der als eine der wenigen Einrichtungen des Centers noch nicht geschlossen ist, und preist das Einkaufszentrum als »voll von Anreizen, Entzückensrufen, Mode und Freude«. Es gibt eine Achterbahn. Es gibt eine Wildwasser-Floßfahrt (der es manchmal an Wasser fehlt). Es gibt ein Gerät zum Bungeespringen, bei dem die Besucher gefragt werden, ob sie das »Gefühl von Todesangst« kennenlernen wollen. Und als wäre das nicht genug, gibt es »noch viele andere vergnügliche Aktivitäten für Jung und Alt«. Neben einem »Autoscooter, einem ›Zauberer von Oz‹ und viel Spaß« hat man auch an einen »Bereich für unartige Kinder« gedacht.
    Wenn nur jemals eines vorbeikäme.
    Ein leerer Laden in der South China Mall
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Lisa Margonelli
Sumqayit, Aserbaidschan
    Oh, Sumqayit in Aserbaidschan! Einst fabriziertest du sämtliche petrochemischen Produkte, die die Sowjetunion verbrauchte. Einst müssen deine Fabriken, deine Kühltürme und deine schlangenartigen Pipelines in der Wintersonne des Kaspischen Meeres geglänzt haben. Deine Arbeiter drängten sich in Massen und bekamen Extrarationen Milch und Käse, um dem Knochenabbau vorzubeugen. Doch all das forderte seinen Preis. Sowohl im Time Magazine als auch in der Scientific American führtest du im Jahr 2007 die Liste der zehn weltweit am schlimmsten verschmutzten Städte an. Aufgrund dieser Tatsache nennst du auch den traurigsten Ort der Welt dein Eigen: den städtischen Friedhof, auf dem sich so viele winzig kleine Gräber befinden. Sie sind das Resultat der übermäßig hohen Sterblichkeitsrate von Kindern in Sumqayit. Auf aserbaidschanischen Gräbern findet man häufig Fotos. Hier in Sumqayit sind es Bilder von hübsch gekleideten, mit Geburtsfehlern behafteten Kindern, die während ihres kurzen Lebens offensichtlich innigst geliebt wurden. Natürlich gibt es in Sumqayit Restaurants. Je länger ich jedoch in der Stadt blieb, desto erschreckender erschien mir die Idee, einheimische Produkte zu essen. Ich empfehle Ihnen, sich Snacks und Wasser aus dem dreißig Kilometer entfernten Baku mitzubringen.
    Lisa Margonelli ist die Autorin von Oil on the Brain: Petroleum’s Long, Strange Trip to Your Tank.
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64. Die deutsche Nordseeküste am 16. Januar 1362

    S tellen Sie sich vor, Sie wären ein deutscher Bauer Mitte des 14. Jahrhunderts. Sie versorgen Ihr Vieh auf den Weiden an der norddeutschen Küste. In der Ferne können Sie die Häuser der Stadt Rungholt erkennen, dazwischen liegt die Nordsee. Sie arbeiten schwer, aber Sie sind glücklich. Ihre Frau ist wieder schwanger, Ihre jüngsten Söhne sind gerade alt genug, Ihnen auf dem Hof zu helfen. Sie halten einen Moment inne, blicken hinaus in die Ferne und danken für alles Gute, das Ihnen widerfahren ist. Doch dann stellen Sie fest, dass etwas nicht stimmt. Schwarze Wolken rollen auf Sie zu. Der Wind jault. Es beginnt, wie aus Kübeln zu regnen. Sie versuchen, Schutz zu suchen. Doch Sie schaffen es nicht. Der Sturm weht zu heftig. Das Meer bäumt sich auf. Riesige Wellen waschen über die Weiden hinweg. Sie selbst, Ihre Familie und die gesamte Gemeinde überleben das Desaster nicht.
    Nein, hier geht es nicht um die Apokalypse. Es ist die »Grote Mandränke«, so lautet das friesische Wort für Großes Menschen-Ertrinken. Die auch Zweite Marcellusflut genannte Sturmflut fegte am 15. und 16. Januar 1362 über die Küsten Nordeuropas hinweg. Die Mandränke war so grot , dass sie mindestens fünfundzwanzigtausend

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