Breed: Roman (German Edition)
Lachen.
Ein Schrubber?
Wahrscheinlich meint sie, dass er ihr mit einem Waschlappen gerade den Rücken schrubbt.
»Wir haben eben über die Kinder gesprochen«, sagt er.
»Ich weiß.«
»Ich hab mich gefragt, ob sie wohl zusammen sind, und du hast gesagt, das wäre nicht gut.«
»Alex. Bitte. Ich brauche keinen Papagei.«
In ihrer Stimme liegt eine erfreuliche Schärfe. In letzter Zeit hat sie vor allem Wut und Verwirrung zur Schau gestellt, doch diese Bemerkung trieft vor Sarkasmus, und Alex’ Stimmung hebt sich.
»Aber was hast du gemeint?«, fragt er.
»Ich war eine äußerst respektvolle Lektorin bei einem angesehenen New Yorker Verlag, also sprich bitte nicht mit mir, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank.«
»Tut mir leid, das habe ich nicht so gemeint«, sagt Alex, obwohl er denkt:
Du meinst wohl »respektabel«.
»Sie müssen einfach zusammen sein, Adam und Alice«, sagt Leslie ebenso zu sich selbst wie zu Alex.
»Ich mache mir Sorgen.«
»Ich hab die beiden so lieb. Egal, was auch passiert, sie sind meine … sie sind meine Babys.«
»Was ist, wenn sie zur Polizei gehen?«, sagt Alex.
»Wozu? Was könnten sie da sagen?«
»Was Kinder eben sagen. Auf jeden Fall sind sie verängstigt – sonst wären sie nicht weggerannt.«
»Sie wissen doch gar nichts«, sagt Leslie.
»Ach, meine Eltern haben auch gedacht, ich wüsste nichts über ihr Privatleben – aber ich wusste, dass mein Vater eine Affäre hatte und dass er eine Sammlung von Fotos besaß, mit denen man ein Pornomuseum hätte füllen können, ich wusste, dass meine Mutter bis zum Exzess gesoffen hat, und ich wusste allerhand andere Dinge, ohne dass sie das auch nur geahnt hätten.«
»Das waren aber alberne Geheimnisse.«
»Albern vielleicht, aber nicht geheim.«
»Unsere Geheimnisse sind anders.«
»Schlimmer, könnte man sagen.«
»Und wir hüten sie mit aller Kraft. Unsere Geheimnisse zu hüten ist das Wichtigste, was wir tun.«
»Aber wir können Fehler machen«, sagt Alex. Er bemerkt, dass er Leslie schon seit über einer Minute den Rücken schrubbt. Ihre Haut ist hellrot geworden, was ihre über die Schulterblätter fallenden Locken akzentuiert. »Dass sie abgehauen sind, war doch unser Fehler, meinst du nicht?«
»Sie haben uns reingelegt«, sagt Leslie nickend.
»Und sie haben offenbar kein Interesse, nach Hause zu kommen.«
»Vielleicht wollen sie es, können aber nicht.«
»Sie sind ausgerissen, Leslie. Wir müssen sie wieder nach Hause holen, bevor sie anfangen, Geschichten zu erzählen.«
Leslie erwidert nichts. Sie ist plötzlich völlig mit dem Versuch beschäftigt, mit der Zungenspitze einen Wassertropfen zu erreichen, der ihr von der Nasenspitze hängt.
»Leslie?«
»Hm?«
»Woran denkst du?«
»Ich erinnere mich.«
»Und woran?«
»Ich habe auch eine Mutter. Oder etwa nicht mehr? Vielleicht ist sie gestorben?«
»Nein, sie ist noch am Leben. Sie ist alt, sie ist krank.«
»In San Francisco, stimmt’s?«
»Das stimmt.«
»San Francisco, Kalifornien.«
»Genau.«
Leslie schweigt einen Augenblick. Sie hebt die Hüften aus dem Wasser und seift ihre Scham ein, dann lässt sie sich wieder ins Wasser sinken und beobachtet, wie Seifenbläschen von ihren Härchen aufsteigen.
»Bei meiner Schwester.«
»Ja.«
»Cynthia.«
»Dein Gedächtnis wird wieder besser.«
»O ja, es ist wieder supertoll.« Ihre Stimme klingt sarkastisch. »Ich erinnere mich doch tatsächlich an den Namen meiner Schwester. Nicht mehr lange, dann werde ich wieder als Lektorin arbeiten.«
»Du solltest etwas nachsichtiger dir selbst gegenüber sein, Leslie.«
Sie greift nach hinten, um Alex liebevoll die Wange zu tätscheln.
»Wie lange noch?«, fragt sie.
»Wie lange noch?«
»Wie lange dauert es noch«, sagt sie. »Dieses Leben.« Bevor er antworten kann – und bevor seine ausbleibende Antwort zu traurig wird –, beginnt Leslie mit den Beinen zu strampeln. Das Badewasser schäumt, und als sie immer kräftiger strampelt, schwappt die seifige Flüssigkeit aus der Wanne.
»Bitte beruhige dich«, sagt Alex.
Doch Leslies zuckende Beine strampeln nur immer stärker und schneller, und bald spritzt das Wasser in alle Richtungen.
»Aufhören!«, brüllt er. Aber sie hört nicht auf, und das Chaos, das sie erzeugt, wirkt irgendwie ansteckend. Es löst etwas in Alex aus, ein Bedürfnis danach, Spaß zu haben, eine gewisse Neugier darauf, was als Nächstes geschehen wird. Zuerst mit den Händen und dann mit den Beinen beginnt
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