Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Breit - Mein Leben als Kiffer

Breit - Mein Leben als Kiffer

Titel: Breit - Mein Leben als Kiffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amon Barth
Vom Netzwerk:
Villa nichts werden ohne Bildung,
    hassen wir die Schule und alles, was mit ihr
    zusammenhängt. Wir sind nicht von Grund auf
    faul, böse, gemein oder dumm. Wir fühlen uns
    bloß fehl am Platz.
    Alles, womit wir tagtäglich konfrontiert
    werden, kommt uns lächerlich und absurd vor:
    hirnlähmende Waschmittelwerbung und wütend
    schreiende Politiker, die sich wie
    Kindergartenkinder im Streit um ein rosa
    Förmchen benehmen. Im Fernsehen können wir
    ganze Bataillone von Proleten betrachten, die
    sich in Talkshows gegenseitig beschimpfen. Das
    ist unsere Welt, die Realität, in der wir leben.
    Nur wir machen da nicht mit. Wir halten uns
    für besonders schlau, obwohl oder auch gerade
    weil wir nicht gut in der Schule sind. Hören Hip
    Hop und haben viel Mitgefühl für all diejenigen,
    die richtig weit unten sind und kriminell sein
    müssen, so wie Jim Caroll.
    Wenn wir nicht zusammen sind, verhalten wir
    uns allerdings ganz anders. Bei unseren Eltern
    sind wir oft immer noch die braven Söhne, mit
    denen man sich gepflegt über Politik und
    - 50 -

    Wissenschaft unterhalten kann. Aber langsam
    schwappen die Attitüden, die wir untereinander
    entwickelt haben, in das häusliche Leben über,
    und die eigene Mutter soll sich auch schon mal
    «verpissen», «ins Knie ficken» oder «nicht
    rumnerven».
    Meine Mam guckt dann zwar immer ganz
    entsetzt, hat aber Verständnis für diese
    «pubertäre Phase», wie sie es nennt, und lässt
    mich dann in Ruhe. Oder sie ist nicht da.
    So wie jetzt. In dieser Nacht rauche ich so
    viele Zigaretten wie nie wieder in meinem
    ganzen Leben. Ich rauche mit den Jungs Kette.
    Um Angst vor Krebs zu haben, sind wir viel zu
    tough. Wir wollen uns zudröhnen, denn wir sind
    gierig nach den Erfahrungen der
    Erwachsenenwelt. Wir wissen, dass man vom
    Rauchen einen Nikotinflash bekommen kann,
    und versuchen alles, um dieses Ziel zu
    erreichen.
    Dirk raucht die ekelhaftesten Zigaretten, die
    ich kenne. Er meint, sie schmecken ihm. Dirk
    wird mir in letzter Zeit immer unsympathischer,
    denn er hat mir immer noch nicht einen Cent
    von dem Geld zurückgegeben, das er mir
    schuldet. Im Gegenteil, er macht ein Spiel
    daraus, verspricht es mir wieder und wieder
    und lacht mich dann aus, sobald ich es
    einfordere. Lange lasse ich mir das nicht mehr
    gefallen. Irgendwann ist Schluss mit lustig.
    - 51 -

    «Es wird Zeit für die zweite Flasche Sekt»,
    verkündet Jan und reißt mich aus meinen
    Gedanken.
    Dirk öffnet die Flasche und spritzt uns voll.
    Wir bewerfen ihn dafür mit nassem Klopapier.
    Markus, Jan und Florian rauchen
    währenddessen einen Kaffee-Kakao-Joint. Wir
    wollten eigentlich richtiges Gras rauchen,
    wissen aber nicht, wo wir welches auftreiben
    können. Florians Kontakt war wohl doch nicht
    so viel versprechend.
    «Das Scheißzeug wirkt nicht», meckert er.
    «War echt ’ne Scheißidee, ’nen Kaffee-Joint
    zu rauchen, hab noch nie so etwas Dämliches
    gemacht», meint Jan großspurig.
    Dirk und ich sind gerade dabei, eine
    Rotweinflasche meiner Mutter zu öffnen, als das
    Telefon klingelt. Es ist unsere Nachbarin: Wir
    sollen die Musik leiser machen. Wir hören aber
    gar keine Musik, sondern schauen fern, und das
    wird ja wohl erlaubt sein.
    «Ja, ja, ich werde mal sehen, was sich
    machen lässt. Ja, ja, ja, tschüs!»
    In der Gegenwart meiner Kumpel bin ich zu
    Erwachsenen oft sehr dreist. Schließlich will ich
    keine Schwäche zeigen oder mich so
    benehmen, als würde ich mich unterwerfen. Ich
    bewundere Dirk dafür, dass er ausnahmslos
    jeden Erwachsenen duzt. Er will ihnen dadurch
    zeigen, dass sie keinen Grund haben, sich ihm
    überlegen zu fühlen. Auch wenn der Rest von
    - 52 -

    uns vielleicht in Wahrheit von der Schule nicht
    unterfordert ist, bei Dirk besteht da kein
    Zweifel. Dass er von uns allen am meisten auf
    Scheißebauen abfährt, liegt wohl daran, dass er
    nicht weiß, wo er sonst mit seiner Energie
    hinsoll. Vielleicht ist es auch diese Energie, die
    mich so sehr fasziniert, dass ich immer wieder
    die Nachmittage mit ihm verbringe, obwohl ich
    ihn eigentlich nicht mag.
    Wir machen noch ein paar Computerspiele.
    Unter anderem einen gerade neu erschienenen
    Ego Shooter, eins von den Games, vor denen
    die Erwachsenen immer warnen, weil Kinder
    angeblich Massaker begehen und vollkommen
    durchdrehen, wenn sie damit zu lange spielen.
    Bei uns müssen sie da keine Angst haben, wir
    bauen zwar Scheiße, aber den Tod wünschen
    wir keinem.
    Den Rest der Nacht hängen

Weitere Kostenlose Bücher