Breit - Mein Leben als Kiffer
wir besoffen und
mit dauerhaftem Nikotinflash auf meinem Sofa
rum. Die Haut kribbelt, mir ist leicht
schwindelig, aber es ist kein unangenehmes
Gefühl. Zum Abschluss gucken wir einen
Horrorfilm. Filme, die unter sechzehn Jahren
freigegeben sind, kommen für uns nicht in
Frage, die sind was für Kleinkinder. Heute
sehen wir 13 mit Freddy Krueger. «Eins, zwei,
Freddy kommt vorbei. Drei, vier, er steht vor
deiner Tür. Fünf, sechs, es holt dich gleich die
Hex’. Sieben, acht, es ist gleich Mitternacht.
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Neun, zehn, wirst den Morgen nicht mehr
sehen.»
Selbst bei den brutalsten Szenen geben wir
uns die größte Mühe, überlegen zu lachen.
Keiner würde zugeben, dass er Schiss hat und
dieses Gemetzel abstoßend findet.
Zwischendurch mache ich einfach kurz die
Augen zu. Doch dann beginnt sich alles zu
drehen, sodass ich sie schnell wieder öffne.
Am nächsten Morgen sieht die Wohnung aus,
als hätte hier eine Horde Hardrocker eine
Saufparty veranstaltet.
Die Jungs verschwinden sofort nach dem
Aufwachen, und ich muss stundenlang alleine
aufräumen. Wenn meine Mutter aus Wilster
zurückkommt, soll sie nichts mehr von dem
Dreck hier mitkriegen. Hoffentlich übersieht sie
die Brandlöcher im Teppich.
Rote Rosen und fast ein erster Kuss
Ich bin mit Katrin zusammen. Wir haben uns
zwar noch nicht geküsst, aber wir sind ein Paar.
Nach der Skifreizeit in Österreich hat sie mir
einen Brief geschrieben und mir gestanden,
dass sie schon während der Klassenfahrt in
mich verliebt war, sich aber nicht getraut hat,
es mir zu sagen. Ich habe sie daraufhin ins Kino
eingeladen, wir waren in Titanic, und als es
spannend wurde, habe ich ihre Hand
genommen. Erst mal ist nichts weiter passiert,
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wir sind nach dem Film zusammen mit dem Bus
nach Hause gefahren, und jeder ist bei sich
ausgestiegen. Am Ende eines langen und
intensiven Telefongesprächs haben wir ein paar
Tage später unsere Partnerschaft besiegelt. Ich
bin selten so glücklich eingeschlafen.
In der Schule darf aber niemand davon
wissen. Es wäre uns beiden zu unangenehm,
von den anderen Jungs deswegen verarscht zu
werden. Wir sind schon jeder einzeln oft genug
Zielscheibe für ihren Spott. Ich wegen meiner
Unsportlichkeit und meines Rufs als Laberbacke
und Katrin, weil sie so schüchtern und
verschlossen ist.
Heute Abend sind wir zum Essen verabredet,
und ich kaufe ihr von einem Inder eine Rose.
Anschließend bringe ich sie zum ersten Mal
nach Hause. Bevor sie reingeht, will ich sie
küssen, doch sie dreht sich panisch weg von
mir, und ein sehr peinlicher Moment des
Schweigens entsteht. Ich versuche, ihn zu
überspielen, indem ich noch eine Zigarette mit
ihr rauche. Wir verabschieden uns mit zwei
Küssen auf die Wangen. Als ich sie später am
Telefon frage, warum sie sich weggedreht hat,
erklärt sie mir, dass sie sich einfach nicht
getraut hat.
Unsere Beziehung findet sowieso größtenteils
am Telefon statt – zum einen sieht uns so
keiner, zum anderen fällt es mir da leichter,
über Gefühle zu reden. Manchmal denke ich
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darüber nach, was ich wirklich für Katrin
empfinde. Wir haben eine große Vertrautheit
miteinander, aber ob das Liebe ist? In Katrins
Gegenwart fühle ich mich souverän, überlegen.
Ein bisschen wie ihr Retter, weil sie so viele
Minderwertigkeitskomplexe hat, sich zu dick
findet und ich ihr dann sage, wie süß sie ist. Ich
bilde mir ein, ein guter Psychologe zu sein und
grundsätzlich mehr von Psychologie zu
verstehen als alle anderen, weil ich schon
einiges darüber gelesen und auch mit Mam viel
über solche Themen geredet habe.
In der Schule lasse ich mir davon nichts
anmerken, weil es sowieso niemanden
interessiert. Und so bin ich natürlich mit von
der Partie, wenn die anderen in unserer
Spezialstunde mit dem Schulpsychologen auch
nur Scheiße bauen.
Die Stunden haben uns die Lehrer zweimal
pro Woche aufs Auge gedrückt, um der
desolaten Situation in unserer Klasse Herr zu
werden. Wir amüsieren uns prächtig über die
peinliche Art des Psychologen, der ständig
Grunzlaute von sich gibt. Er behauptet zwar,
dass es mit einer Nasenkrankheit
zusammenhängt, doch das macht es auch nicht
besser. Dirk zeichnet ihn, wie er beim Arzt im
Sprechzimmer sitzt und auf eine riesige
Maschine in seiner Nase zeigt.
Einmal will der Psychologe, dass wir anonym
unsere momentanen Probleme auf Zettel
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schreiben, die er am Ende der
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