Breit - Mein Leben als Kiffer
Stunde
einsammelt. Auf der Liste finden sich dann
neben den ernsthaften Beschwerden der
Mädchen auch unsere Sprüche. «Dirk furzt
ständig, und das lenkt mich echt vom Lernen
des spannenden Unterrichtsstoffes ab» –
«Amon stinkt aus dem Mund wie ’ne Kuh aus
dem Arsch» – «Jan popelt immer».
Nach wenigen Wochen werden die
Spezialstunden wieder eingestellt. In unserer
Klasse hat sich nichts verändert. Es wird sogar
noch schlimmer.
Jan, Markus und Florian schreiben Katrin im
Deutschunterricht Zettel, auf denen steht, wie
hässlich und dumm sie ist. Was für Freunde
habe ich eigentlich? Das mit den Zetteln
machen sie doch nur, weil sie ahnen, dass was
zwischen uns ist. Und ich Idiot gebe die
Gemeinheiten auch noch weiter, weil ich zu
große Angst davor habe, dass sie mich wegen
der Sache mit Katrin auslachen.
Vorsichtig tippe ich sie an. «Von hinten»,
murmele ich verschämt und lege ihr den Zettel
auf den Tisch, anstatt aufzustehen und meinen
so genannten Freunden die Meinung ins Gesicht
zu sagen. Katrin selbst ist ziemlich sauer auf
die Jungs, traut sich aber nicht, richtig Zoff
anzufangen. Mit mir redet sie nie darüber.
Ich bin ein Feigling und zu abhängig von
meinen Freunden, als dass ich Katrin
verteidigen würde. Leider habe ich aber keine
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anderen, weil ich mich nicht darum kümmere
und immer nur mit den gleichen herumhänge.
Meine alten Freunde von früher, Michael und
Christian, sehe ich nur noch selten. Klar, die
sind auch auf einer anderen Schule, und da
sieht man sich eben nicht mehr jeden Tag. Aber
das ist nicht der Grund. Zu meinem ältesten
Freund Christian habe ich kaum noch Kontakt,
weil er in letzter Zeit mir gegenüber immer so
überlegen tut und mich bevormundet. Da
unsere Eltern miteinander befreundet sind,
waren wir früher ständig zusammen, wie
Brüder. Seit ich viel mit den anderen
rumhänge, verstehen wir uns irgendwie nicht
mehr. Ständig weiß Christian alles besser und
behandelt mich wie ein Kind. Dabei ist er
gerade mal anderthalb Jahre älter als ich.
Vielleicht ist Christian auch neidisch auf meine
neuen Freunde und verhält sich deshalb so. Ich
will aber nicht mehr der Kleine sein, der ihm
folgt.
Die Freundschaft zu Michael ist praktisch
nicht mehr vorhanden. Als neulich eine
Engtanzparty stattfand und ich ihn mitbringen
sollte, habe ich ihm absichtlich nicht Bescheid
gesagt, weil er mir inzwischen zu peinlich ist.
Michael war als Kindergartenfreund wirklich in
Ordnung, es hat immer großen Spaß gemacht,
mit ihm gemeinsam Fahrrad zu fahren und
Rollenspielfiguren anzumalen, aber das ist jetzt
nicht mehr angesagt. Michael ist einfach nicht
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cool genug; der würde nie mit Scheiße bauen
oder so. Ich käme auch nicht auf die Idee, ihn
den Jungs vorzustellen, mit seinen komischen
Klamotten, seinen ständigen Bedenken und
seiner Streberart.
Manchmal denke ich, dass sich die beiden in
Wirklichkeit kaum verändert haben und meine
wirklichen Freunde sind. Nur ich bin ein feiges
und gemeines Arschloch geworden.
Am Wochenende nehme ich Katrin mit nach
Wilster. Ich bin glücklich, meine Zeit mal mit
jemandem zu verbringen, der halbwegs normal
ist.
Meine Mutter meint, ich darf nicht mit ihr in
einem Bett schlafen, dafür sind wir mit fünfzehn
noch zu jung, und ich denke, Katrin will das
auch nicht. Mir hätte das schon gefallen.
Am nächsten Tag sitzen wir Arm in Arm auf
dem Deich und gucken aufs Wasser, reden ein
bisschen, schweigen. Ich schaue sie an,
streichle sie, berühre ihre Brüste.
«Ich liebe dich mehr als meine Mutter», sage
ich in die Stille.
Keine Ahnung, wie das passieren konnte. Es
rutscht mir einfach so raus, bevor ich was
dagegen tun kann. Warum ich das sage, weiß
ich nicht. Vielleicht, weil ich mich mit Katrin so
wohl fühle. Weil sie mir das Gefühl gibt, dass
ich der Erfahrene, der Überlegene bin.
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Wahrscheinlicher ist jedoch, weil ich gar nicht
weiß, was Liebe ist.
Katrin ist schockiert, denn natürlich liebt sie
ihre Mutter mehr als mich.
Mir ist das alles plötzlich sehr unangenehm.
Ich springe auf. «Wer als Erster am Steg ist.»
Wir rennen los, und japsend komme ich kurz
vor ihr an. Die peinliche Situation ist vergessen.
Wir reden, bis es dunkel wird und wir uns zum
Abendbrot in Richtung Haus aufmachen
müssen. Kaum bin ich aufgestanden, nimmt
Katrin plötzlich Anlauf und schubst mich ins
Wasser. Mit all meinen Klamotten.
Ich
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