Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Breit - Mein Leben als Kiffer

Breit - Mein Leben als Kiffer

Titel: Breit - Mein Leben als Kiffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amon Barth
Vom Netzwerk:
weiß überhaupt nicht warum und werde
    tierisch sauer. Wir hatten doch so einen
    schönen Tag. Voller Vertrautheit.
    «Warum hast du das gemacht? Spinnst du?»
    «Jetzt reg dich nicht so auf, war doch nur
    Spaß!»
    «Du kannst mich doch nicht einfach so ins
    Wasser schubsen!»
    «Ehrlich, war nicht böse gemeint. Mir war
    einfach so danach.»
    «Dir war einfach so danach?»
    Ich klettere zurück auf den Steg und gehe
    wortlos an ihr vorbei nach Hause. Sie hat alles
    kaputtgemacht. Die besondere Stimmung ist
    vorbei.
    An diesem Abend reden wir nicht mehr viel
    miteinander, und als wir uns am nächsten Tag
    - 60 -

    voneinander verabschieden, bleibt ein schales
    Gefühl in mir zurück.
    Am Dienstag nach dem verkorksten
    Wochenende mit Katrin setze ich mich abends
    nochmal hin, um ein paar Reime zu schreiben.
    Ich ziehe ernsthaft in Betracht, später einmal
    Rapper zu werden, obwohl ich nicht viel von Hip
    Hop verstehe und vollkommen unmusikalisch
    bin. Ich spiele kein Instrument, geschweige
    denn, dass ich Noten lesen kann. Außerdem
    fangen Markus und Jan schon an, mich zu den
    Deutsch-Rap-Spacken zu zählen, die sie
    verachten, weil jeder, der deutschen Rap wie
    Fettes Brot oder Fünf Sterne Deluxe hört, für
    sie ein Möchtegern ist. «Deutsche Rhymes sind
    einfach kacke», heißt es immer nur.
    Also notiere ich heimlich ab und zu ein paar
    Reime, die mir so durch den Kopf gehen. Heute
    Abend schreibe ich meinen ersten richtigen Hip-
    Hop-Text. Ich bin echt stolz auf mich. Leider zu
    stolz, denn der Text ist keineswegs gut,
    höchstens ein Anfang. Aber er tröstet mich über
    das komische Verhalten von Katrin hinweg.
    «Ihr meint, ich kann nicht rappen
    doch dann führ’ ich euch zu meinen heiligen
    Stätten
    sie liegen nicht in Ketten
    nein sie sind frei wie der erste Vogel wenn er
    fliegt
    - 61 -

    und ich knobel meine Styles nicht aus
    nein ich lass sie einfach raus wie sie kommen
    und sie treffen ein in riesigen Kolonnen
    die Revolution des Shits hat begonnen
    denn selbst die Nonnen
    die sonst nur sticken
    fangen an mit ihren Köpfen zu nicken
    und wir kicken’s
    raus wie Esperanto über Stuttgarts Hügel
    doch meinem Rap bastele ich Flügel
    schlechte Rhymes kommen in den Kübel
    und dann grübel
    ich nicht lang
    bis man wieder anfangen kann.»
    Zufrieden schlafe ich ein.

Doublekill
    Meine drei Mütter finden, dass man als Mann
    tanzen können muss. Also schicken sie mich in
    die Tanzschule. Anfangs gehe ich etwas
    widerwillig hin, gerade auch, weil ich der
    Einzige aus unserer Truppe bin und mir ständig
    von den Jungs anhören muss, wie peinlich
    Tanzen ist. Aber irgendwie bin ich auch ganz
    stolz darauf, mal etwas anders zu machen als
    die anderen, und mit der Zeit gefallen mir die
    Tanznachmittage sogar ganz gut. Vor allem,
    wenn wir Walzer tanzen, Walzer kann ich
    prima.
    - 62 -

    Am Wochenende finden regelmäßig von der
    Tanzschule organisierte Partys statt. Die Jungs
    haben sich darauf geeinigt, dass selbst die
    richtigen Partys der Tanzschulen zu uncool sind,
    um hinzugehen. Umso mehr wundert es mich,
    dass Markus diesmal mit all seinen berüchtigten
    Kollegen auftaucht, von denen ich schon so viel
    gehört habe. Allesamt Ausländer, die meisten
    älter als wir, bestimmt schon achtzehn oder
    neunzehn.
    Markus ist wirklich ein Phänomen: Ich kenne
    niemanden, der so schnell mit anderen ins
    Gespräch kommt wie er. Er hat ein
    unglaubliches Gespür dafür, sich immer genau
    die Leute zu suchen, von denen er profitieren
    kann. Entweder weil sie den Türsteher einer
    Disko gut kennen und ihn mit reinschleusen,
    obwohl er noch nicht alt genug ist, oder weil sie
    Alk für ihn besorgen, den man eigentlich erst
    ab achtzehn kriegt.
    Als wir mit seinen Kumpel vor der Party in
    einer großen Gruppe zur Tankstelle am
    Dammtor-Bahnhof gehen, um dort billig Alkohol
    zu kaufen, darf ich einem besonders wichtigen
    Freund von Markus die Hand schütteln. Ich
    fühle mich ziemlich cool dabei. Mein Wunsch
    dazuzugehören ist stärker als das Gefühl, dass
    das eigentlich nicht die Leute sind, mit denen
    ich häufig zu tun haben möchte.
    Wieder in der Tanzschule, geht einer von den
    Typen einfach so ans Mikro und legt einen
    - 63 -

    ziemlich aggressiven, aber genialen Freestyle
    hin. Diese Jungs machen einen so extrem
    toughen Eindruck, dass wir alle enorm viel
    Respekt vor ihnen haben. Ich dachte immer,
    das sind solche Typen, die den kleinen
    Kartoffeln, wie sie uns Deutsche nennen, die
    Handys wegnehmen.

Weitere Kostenlose Bücher