Breit - Mein Leben als Kiffer
uncool. Er ist einfach
unglaublich heiter und freundlich. Man kann
auch anders sein als wir. Dementsprechend
verstehen sich vor allem meine Großmutter und
Klaus ausgezeichnet.
«Endlich mal jemand, mit dem man sich
richtig unterhalten kann», flüstert sie mir im
Vorübergehen ins Ohr.
Am späten Nachmittag, als alle in der Sonne
dösen, schlendere ich unauffällig ins Haus und
gehe Richtung Keller. Schon in Hamburg hatte
ich mir vorgenommen, noch eine weitere Tüte
von dem Gras meiner Mutter mitzunehmen,
auch wenn die Wirkung der ersten eher
enttäuschend war. Vielleicht habe ich jetzt ja
- 106 -
mehr Glück, und zwischen den Blättern finden
sich noch ein paar Pollenreste.
Ich schleiche mich also in den Keller zur
Tiefkühltruhe und ziehe den Beutel hervor.
Plötzlich höre ich Schritte auf der Treppe.
Scheiße! Hastig versuche ich, den Beutel wieder
in die Truhe zu werfen, da betritt meine Mam
auch schon den Raum.
«Na, was machst du denn hier?»
«Nichts!»
«Nichts? Was hast du denn da?» Sie tut so,
als ob sie gar nichts mehr von den Beuteln
wüsste.
«Einen Beutel Gras!»
«Einen Beutel Gras?»
«Ja! Sag bloß, du weißt nicht, woher der
kommt?»
«Nee, ich habe keinen blassen Schimmer,
zeig mal. Ach doch, jetzt weiß ich's wieder.»
«Und?»
Meine Mam und ich gehen gemeinsam hoch
ins Wohnzimmer. Der große Beutel liegt neben
uns auf dem Tisch und taut langsam auf. Ich
lege Bob Marley auf, weil ich denke, dass das
die Lage etwas entspannt. Komischerweise ist
meine Mutter – obwohl Großmutter draußen im
Garten sitzt und jederzeit hereinkommen
könnte – aber ganz locker und erzählt mir, wie
das damals in den Sechzigern so war, dass sie
auch ein paar Hippieallüren gehabt und das
Gras für meinen Dad angebaut hat.
- 107 -
«Dieses Gras ist die eingefrorene
Liebesgeschichte zwischen mir und deinem
Vater.»
Ich frage sie, ob sie damals viel gekifft hat,
aber sie meint, dass sie davon zu schnell müde
und antriebslos geworden ist. Sie sagt, die
Droge ist nicht ihr Ding, ein Glas guten
Rotweins schätzt sie mehr. Ich löchere sie
weiter mit Fragen, will genau wissen, mit wem
sie damals gekifft hat.
«Ach Amon, es ist doch überhaupt nicht
wichtig, wie wir damals gekifft haben, sondern
wie du kiffst. Hast du’s schon mal ausprobiert?»
«Na ja, das hier hab ich schon mal probiert.»
«Da war doch noch ein Beutel, den hast du
dir also auch schon unter den Nagel gerissen»,
sagt sie ein wenig vorwurfsvoll.
Ich will sie nicht anlügen.
«Ich hab auch schon mal richtiges Gras
geraucht.»
«Ach ja? Mit wem denn?»
«Mit Florian.»
«Mit Florian, soso. Amon, lass dir eins gesagt
sein: Kiffen ist nichts für dich, vor allem nicht,
wenn du es regelmäßig machst. Da wirst du nur
unheimlich träge von. Wenn du am
Wochenende mal kiffst, nun ja. Aber gut finde
ich es nicht. Ich kann dir nichts verbieten, was
ich nicht auch kontrollieren kann. Du musst da
deine eigenen Erfahrungen machen. Ich kann
dich nur davor warnen», sagt sie eindringlich.
- 108 -
Sie zündet sich eine Zigarette an und lächelt
mir versöhnlich zu. Das hätte schlimmer
ausgehen können. Mann, bin ich stolz auf
meine Mam. Es ist ein schönes, warmes Gefühl,
dass sie so cool ist. Sie vertraut mir, so wie sie
mir auch vertraut, wenn ich ihr zusichere, dass
ich an den Wochenenden, wenn ich allein in
Hamburg bin, keine Scheiße baue. Darüber,
dass ich ihr Vertrauen immer wieder
missbrauche und ihre Gutmütigkeit ausnutze,
möchte ich im Moment lieber nicht nachdenken.
«Warte mal, ich hab was Schickes für dich.»
Sie kommt mit zwei Bambuswasserpfeifen
und einer Fotoschachtel wieder und fängt an,
mir von ihren Recherchen in Jamaika zu
erzählen. Dabei zeigt sie mir Fotos, auf denen
sie in einem riesigen Hanffeld neben
langhaarigen Rastas zu sehen ist. Meine Mutter
erzählt lang, angenehm und sehr ausführlich.
Sonst stört mich das Ausführliche, aber jetzt
genieße ich es. Ich bin sehr stolz auf die
original jamaikanischen Bambuswasserpfeifen
und kann den Moment kaum abwarten, in dem
ich sie meinen Freunden zeigen werde.
«Darf ich die Dinger behalten?»
«Sagen wir mal, ich leihe sie dir.»
«Danke, Mam!», sage ich und umarme sie.
Da kommt Klaus rein, um sich etwas zu
trinken zu holen.
«Sag mal, Klaus, kiffst du auch?», will meine
Mutter wissen.
- 109 -
«Nee, überhaupt nicht. Das ist alles gar nicht
mein Ding.» Abwehrend hebt er
Weitere Kostenlose Bücher