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Breit - Mein Leben als Kiffer

Breit - Mein Leben als Kiffer

Titel: Breit - Mein Leben als Kiffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amon Barth
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schwindelig, dann
    übel. Gras macht unheimlich ruhig, man fühlt
    sich eingebettet in ein warmes, wohliges
    Gefühl. Das Ich ist nur noch Gedanke, rein
    assoziativ. Gleichzeitig rührt einen nichts
    wirklich an. Eine herrliche Gleichgültigkeit.
    Alles ist genau so, wie es sein sollte, denke
    ich. Mir geht es hauptsächlich darum, dass ich
    zufrieden sein kann. Am liebsten würde ich
    mich wieder in meinen Traum mit dem grünen
    Pflanzenmann und den leuchtenden LSD-Farben
    flüchten. Aber irgendwie funktioniert das
    diesmal nicht.
    «Ihr werdet sehen, der Film ist genial! Ich
    meine, na klar, er ist hart, aber echt geil, sehr
    sozialkritisch und so…», sagt Markus.
    Ich wäre gerne näher mit Markus befreundet.
    Weil ich in den meisten Fächern besser bin als
    er, ruft er mich häufig an, um nach den
    Hausaufgaben zu fragen. Er hat immer noch
    nicht begriffen, dass ich die auch nicht weiß.
    Am Telefon ist er dann immer distanziert und
    extra höflich, als wäre ich einer von den
    Strebern. Mit mir redet er nie genauso wie mit
    Jan oder Florian. Durch die ewige Fachsimpelei
    über Fußball sind sie ein eingespieltes Team
    und wirken wie echte Freunde. Ich fühle mich
    häufig wie das fünfte Rad am Wagen. Wenn ich
    - 103 -

    überhaupt mal mitreden kann, versuche ich,
    richtig auf den Putz zu hauen. Aber jetzt spielt
    das alles keine große Rolle mehr. Denn jetzt
    haben wir etwas, das uns verbindet.
    «Mann, Alter, jetzt halt mal die Klappe,
    Markus, lass mal rübergehen und den Film
    glotzen», meckert Florian in diesem Moment.
    Etwas beleidigt drückt Markus auf Play.
    Schon in der allerersten Szene begreife ich,
    dass dies der heftigste Film ist, den ich je
    gesehen habe. Ich bin so schockiert, als würde
    ich gerade vor meiner Haustür beobachten, wie
    meine Nachbarn umgebracht werden. Das hier
    ist nicht mehr mit solchen Filmen wie From
    Dusk till Dawn vergleichbar. Menace II Society erfindet nichts, sondern bildet die Realität ab.
    Er spielt im Ghetto, erzählt von Bandenkriegen,
    Gewalt, Drogen und Mord. Aus völlig nichtigen
    Gründen werden hier Menschen umgebracht.
    Unberechenbar, schnell, schonungslos und vor
    allem ohne Sinn. Ich werde richtig aggressiv,
    während wir gucken und unsere Suppen
    schlürfen. In dieser Welt muss ich zur Schule
    gehen und schon bald Steuern an einen Staat
    mit Polizei und Armee zahlen!
    «Verfluchte Scheiße, Jungs. Mann, das geht
    nich’ klar.» Ich werde etwas lauter. «Während
    wir hier sitzen, sind irgendwelche Ghettotypen
    wirklich so am Start wie die da im Kasten.» Ich
    werde immer lauter. «Genau in diesem Moment
    werden Leute umgenietet, und die Mongos
    - 104 -

    spritzen sich Heroin! Und das auf der ganzen
    Welt!»
    «Chill mal, Monsen, altes Haus!», murmelt
    Markus.
    «Wenn die Bock drauf haben, sollen sie es
    machen, ich muss bei so was ja nich’ am Start
    sein», sagt Florian.
    Im Film wird gerade wieder jemand
    bestialisch erschossen und ich lache aufgesetzt
    sarkastisch. Den Rest des Films über sagt
    niemand mehr ein Wort. Ich überlege, ob mein
    Hass sich gegen die Macher dieses Films richtet
    oder gegen die Realität, die sie abbilden. Nach
    dem Film rauchen wir noch einen Joint, und
    Markus fordert uns auf, Florian etwas Geld
    dafür zu geben, dass er uns das Gras besorgt
    hat. Wir schnipsen ihm Zweieurostücke rüber.
    «Ich war noch nie von einem Film so
    geflasht», sagt Jan.
    «Ja, allein schon, dass die Mutter sich H
    spritzt, ist echt hart», sagt Markus, «ich würde
    mir nie was anderes als Alk und Gras geben.»
    In dieser Nacht schlafe ich unruhig und träume
    schlecht, werfe mich immer wieder von einer
    Seite auf die andere.
    Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist
    keiner mehr da. Müde schlurfe ich ins
    Badezimmer und schaue in den Spiegel: Mein
    ganzes Gesicht ist mit Edding bemalt.
    Arschlöcher.
    - 105 -

Erwischt
    Am Wochenende muss ich mit meiner Mutter
    aufs Land fahren.
    «Du kannst nicht immer alleine zu Hause
    bleiben, außerdem bist du ganz bleich und
    kannst die Landluft gut vertragen», sagt sie
    und lässt diesmal keinen Widerspruch gelten.
    Um nicht völlig vom Sozialleben
    abgeschnitten zu sein, frage ich Klaus, ob er
    mitkommen will. Er geht auch in meine Klasse,
    und obwohl ich ihn gern mag, habe ich nicht
    viel mit ihm zu tun. Klaus hat wenig mit Drogen
    am Hut und ist von uns allen derjenige mit dem
    wärmsten Herzen, erlaubt sich keine harten
    Sprüche, macht nie bei einem Lehrerstreich
    mit, ist aber auch nicht

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