Breit - Mein Leben als Kiffer
auf.»
«Das sah aber vor einer Stunde noch
ordentlicher aus.»
«Lass nur, Mam, das würdest du eh nicht
verstehen.»
Es klingelt an der Tür.
«Ciao Mam, ich fahr mit Markus zu Karstadt,
wir wollen uns da Computerspiele angucken.»
«Tschüs Amon. Ich bin nachher beim
Elternabend, vielleicht komme ich etwas später
zum Abendbrot.»
Scheiße! Der Elternabend. Den hatte ich ja
total vergessen. Mir ist ziemlich mulmig
zumute, wenn ich an meine vielen Fehlstunden
und all die nicht gemachten Hausaufgaben
denke. Meine Mutter ahnt, glaube ich, was,
aber wenn sie erfährt, wie häufig ich tatsächlich
in letzter Zeit geschwänzt habe, kann ich mich
wieder auf stundenlange Gespräche einstellen.
Ich weiß ja, dass sie im Grunde genommen
Recht hat. Dass Bildung wichtig ist und ich mein
Abi schaffen muss. Aber ich finde den
Unterricht einfach quälend langweilig. Das gibt
mit Sicherheit Stress. Nur nicht dran denken.
Schnell nehme ich den Rucksack, in dem ich die
- 114 -
zwei Bambuspfeifen und die Tiefkühlpollen
verstaut habe, und gehe nach draußen.
«Moin, Markus!»
«Jubska, Jubska.»
Wir schieben unsere Fahrräder die Straße
runter.
«Meine Mam denkt, wir fahren zu Karstadt.»
«Ich habe erzählt, wir würden zusammen
Hausaufgaben machen.»
«Heute ist ja Elternabend. Gehen deine
Eltern da auch hin?»
«Nee, die können nicht.»
«Hast du ein Schwein, Alter. Ich habe ja so
keinen Bock auf das Gelaber hinterher.»
«Ach, wird schon schief gehen!»
Schweigend schlendern wir weiter in
Richtung Alster.
«Da vorne ist doch ein guter Platz, hinter
dem Häuschen da.»
Eigentlich passen zu jamaikanischen
Wasserpfeifen Sonne, gute Laune und Reggae,
doch es ist nass und kühl, und ich bin frustriert,
weil ich jemand bin, der ich nicht sein will.
Ich habe keine eigene Meinung, bin ein
Mitläufer. Ich bin und denke destruktiv.
Verbringe meine Zeit mit Leuten, mit denen ich
eigentlich nicht viel teile außer den
Musikgeschmack und die Lust am Chillen und
Kiffen. Gleichzeitig ist es mit ihnen so schön
einfach. Wir treffen uns nach der Schule an der
Kreuzung, grinsen uns an und wissen: Kiffen ist
- 115 -
angesagt. Man muss sich nicht groß um was
kümmern, nichts Besonderes unternehmen,
nichts planen, sich nichts ausdenken. Das
Programm steht fest und ändert sich nie: Wir
schlagen gemeinsam mit unserer
Bequemlichkeit die Zeit tot.
Mir ist jetzt eher nach hartem Rock zumute.
«Yo Monsen, da hast du uns ja ’n chilliges
Plätzchen ausgesucht. Gute Sitzmöglichkeiten,
vor fremder Leute Blicken geschützt und gute
Aussicht. Gleich drei Wünsche auf einmal
erfüllt.»
In Wirklichkeit sitzt man hier auf feuchter
Erde, jeder verfluchte Fußgänger kann von der
Brücke auf uns runtergucken, und wir starren
direkt auf die grüne Rückwand des
Belüftungshäuschens.
«Ja, ist Scheiße hier, aber was soll’s. Reich
mal die Mucke rüber.»
Ich nehme mir einen von Markus’ Kopfhörern
und packe die beiden Pfeifen aus. Markus hört
2Pac und amerikanischen Underground-
Hardcore-Hip-Hop. Die harten Beatlines und
derben Bässe jagen mir das Adrenalin durch
den Körper. Ich packe die anderen Utensilien
aus. Eine Wasserflasche zum Auffüllen,
Drehtabak, den Beutel mit den Pollen und die
Rastamütze von meinem Vater.
«Wo hast du die denn her?», fragt Markus
verwundert.
- 116 -
«Scharfes Teil, oder? Hab ich auf dem
Dachboden in Wilster gefunden. Hat wohl mal
meinem Vater gehört.»
Ich setze sie auf und versuche, mich wie ein
bekiffter Rasta zu bewegen und zu reden.
Markus Diskmann spielt gerade «Insane in the
Brain» von Cypress Hill.
«Gib mal her!»
Er wischt mir die Mütze vom Kopf und
versucht, einen Rasta zu imitieren.
«Yu know, it is a gift. It is a gift from Jah and
we should give thanks to Jah an sing for him
and give all de trust into Jah guidance. But he
will only guide us when we will smoke de
weed.»
Scheiße, eine der Pfeifen leckt.
Wir hauen einfach in die andere alles an
Weed rein, was wir dabeihaben und eigentlich
für mindestens zwei Joints gereicht hätte.
Zuerst müssen wir minutenlang husten. Der
Rauch kommt zu allen Seiten aus der Pfeife
raus und schmeckt kalt und rau. Markus hat
immer noch die Mütze auf und zieht sie sich,
während er hustet, bis zum Kinn. Er nimmt
noch einen Zug, hustet diesmal nicht, aber
verzieht krampfhaft das Gesicht.
«Das is ja derbe, Monsen, man wird sofort
breit.»
«Na, dann
Weitere Kostenlose Bücher