Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Breit - Mein Leben als Kiffer

Breit - Mein Leben als Kiffer

Titel: Breit - Mein Leben als Kiffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amon Barth
Vom Netzwerk:
immer
    öfter vor. Erst recht bei einem so besonderen
    Anlass wie heute. Meine Großmutter und ich
    gehen nämlich ins Theater.
    Leider mache ich so etwas viel zu selten,
    obwohl ich wirklich gerne ins Theater gehe. Ich
    liebe es, wenn man völlig vereinnahmt wird von
    einem Stück, von der anderen Welt dort, einer
    anderen Zeit. Ich liebe es, dass die
    Schauspieler sich so verausgaben, völlig in ihrer
    Rolle aufgehen. Manchmal komme ich mir
    selbst vor wie ein Schauspieler. Zu Hause
    versuche ich, der brave Sohn und Enkel zu sein,
    während ich innerlich immer weniger dem Bild
    des aufgeschlossenen, klugen und
    interessierten Amon entspreche, das ich so
    gerne vor mir selbst hochhalte. Dem Bild, das
    auch meine Mam und meine Großmutter von
    mir haben.
    Wenn ich mit ihnen rede, muss ich mich
    ziemlich zusammenreißen. Meine Sprache hat
    sich durch das Kiffen stark verändert. Die
    Grenzen zwischen sich über andere lustig zu
    machen und selbst ein Sprachkrüppel zu sein
    - 142 -

    sind fließend: «Ey Digger, der Fuchs, den wir
    eben klargemacht haben, ist so krass, weißt du,
    ich hab noch nie so gechillt und davor so wenig
    gebarzt.»
    Manchmal denke ich, dass ich mir nichts
    dazukiffe, keine neue Welt, keine besonderen
    Gedanken oder intensiven Sounds, sondern
    dass ich mir etwas wegkiffe: meine wirklichen
    Interessen.
    Als der Joint bis zum Tabakkissen
    runtergebrannt ist, bekomme ich einen
    Brechreiz und mache ihn schnell aus. Bisher
    war mir noch nie aufgefallen, wie abstoßend
    Tabak ohne Gras schmeckt.
    Ich gehe weiter zum Schauspielhaus, wo ich
    mich mit meiner Großmutter treffe. Wir sehen
    das Käthchen von Heilbronn von Kleist. Es ist großartig. Intensiv, inbrünstig, voller Energie.
    Nach der Vorstellung erzählt mir meine
    Großmutter von Petra, der heroinsüchtigen
    Kusine meiner Mutter, und nutzt das, um mich
    wieder mal zu ermahnen.
    «Amonchen, man liest ja so viel über die
    jungen Leute, die Drogen nehmen, und wie die
    dann enden. Aber du machst so was nicht,
    oder?»
    «Natürlich nehme ich keine Drogen,
    Großmutter. Ich rauche ja noch nicht mal.»
    Ich mag meine Großmutter wirklich sehr,
    aber das heißt nicht, dass ich immer ehrlich zu
    ihr sein muss. Sie würde das sowieso nicht
    - 143 -

    verstehen. Und ich habe keine Lust, mich vor
    ihr zu rechtfertigen.
    «Und was ist mit der Schule? Deine Mutter
    sagt, dass du ständig darüber schimpfst.»
    «Ach weißt du, so ungern gehe ich da gar
    nicht hin, manchmal macht es wirklich Spaß»,
    behaupte ich schnell.
    Sie ist tatsächlich beruhigt und lässt mich
    den Rest des Weges in Ruhe. Als ich wieder zu
    Hause bin, stelle ich mich vor den mannshohen
    Spiegelschrank in der Küche und improvisiere,
    als sei ich ein Schauspieler, der einen
    Shakespeare-Text spricht – nein, schreit:
    «Doch niemand, niemand sah es kommen,
    als er durch finstere Nacht mit seinesgleichen
    herauf in ferne Höhen ritt. Kein Kind, kein Mann
    und keine Frau hat es vorausgesehen, dass
    dieser Insel sanfter Frieden durch schändlich
    Bluttat wurd’ entweiht. In falscher Form und
    ohne Namen wurd’ es erdacht und auf diese
    Weise niemand gleichgetan. Ein grünes Monster
    soll geseh’n sein und Mordikei, der kecke
    Schelm ist nicht der Einzige geblieben, auf den
    die taube Macht des Affentiers einen solch
    starken Zauber bewirkt, sodass er die Bäume
    stets für Menschen hielt.»
    Eine Stunde lang stehe ich da und rede
    ekstatisch und heftig gestikulierend auf mein
    Spiegelbild ein. Mir fällt gar nicht auf, wie wirr
    und wahnwitzig das ist, was ich sage. Wie einer
    dieser jungen und wilden Schauspieler möchte
    - 144 -

    ich sein, wie die, die mich eben im Stück so
    ungemein stark beeindruckt haben. Das Sich-
    Verausgaben zieht mich an. Ich bin bekifft und
    betrunken. Und ich will noch mehr kiffen. Weil
    ich mir in meiner Drogenschublade noch Reste
    erhoffe, bekomme ich schon wieder dieses
    Herzrasen. Auf den Gedanken an das Kiffen
    reagiert mein Körper immer mit Vorfreude.
    Adrenalin schießt durch meine Adern. So muss
    es sein, wenn man erfährt, dass man im Lotto
    gewonnen hat.
    Plötzlich geht die Tür zu meinem Zimmer auf,
    meine Mutter kommt rein und sieht mich den
    Joint drehen. Ich schaue sie etwas verlegen an.
    Ich dachte, sie kommt heute erst ganz spät
    nach Hause.
    «Amon, das kann doch nicht wahr sein!»,
    fängt sie gleich an. «So geht das nicht weiter.
    Wie oft haben wir schon darüber geredet. Du
    sollst nicht so viel kiffen. Wenn es schon

Weitere Kostenlose Bücher