Breit - Mein Leben als Kiffer
gehen, doch
es soll passieren und gut sein. Nach dem
Rauchen reden und albern wir in seinem
Zimmer herum, während Christian Platten
auflegt. Bald kommt meine Mam herein, um
mich mit nach Hause zu nehmen.
Ich höre Musik über meine Kopfhörer,
während meine Mutter Auto fährt. «Tonight,
make it right … make me magnificent …
tonight.» Eigentlich kann meine Mutter es nicht
leiden, wenn ich in ihrer Gegenwart Walkman
höre, doch ich mache mir nichts draus, schließe
die Augen und tauche in meine Gedankenwelt
ein.
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Ich höre eines der Lieder aus dem
Trainspotting -Soundtrack und denke über mein
Leben nach. Es fließt einfach vor sich hin. Die
meiste Zeit versuche ich, mir keine Sorgen um
nichts zu machen, außer darum, wo ich das
nächste Mal mit wem kiffen werde und wie ich
weiterhin eine ruhige Kugel schieben kann,
ohne dass mir die Schule oder meine Familie zu
sehr auf den Wecker geht. Ich lebe in meinem
kleinen chaotischen Mikrokosmos voller
Phantasie, Musik und Rausch. Ich fühle mich
nicht wie einer der Junkies aus den Filmen und
auch nicht wie ein Problemkind. Für mich ist
nur wichtig, weiterhin high zu sein. Ich weiß,
dass ich psychisch abhängig bin. Aber es ist mir
egal. Alle kiffen. Und es macht Spaß – also, was
soll's? Wenn ich mein Abi habe, höre ich
sowieso auf. Falls ich das Abi schaffe.
Natürlich ist mir bewusst, dass ich in der
Vergangenheit eine Menge Dinge gemacht
habe, die ich nicht hätte tun sollen. Aber wir
beeinflussen uns alle gegenseitig. Das ist unser
Hobby: uns gegenseitig zu verführen. An jedem
Tag, an dem ich in die Schule komme und
irgendeinen meiner Kollegen zum Kiffen
verleite, habe ich auf ihn einen schlechten
Einfluss, genauso wie er ihn auf mich hatte, als
er mich das Mal davor zum Kiffen überredete
oder mich dazu anstiftete, die Luft aus den
Fahrrädern der Mädchen zu lassen oder
irgendeinen anderen Scheiß anzustellen. Viele
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der störenden Erinnerungen von früher sind
jedoch durch etliche, lang gezogene
Kiffersessions voll und ganz verschwunden.
Die Schlange hat sich inzwischen vollkommen
gehäutet.
Als wir zu Hause ankommen und ich mich in
mein Bett fallen lasse, ist es erst elf, relativ
früh für meine Verhältnisse. Ich habe
beschlossen, morgen nicht zur Schule zu
gehen. Morgen werde ich Magenschmerzen
haben, und wenn meine Mutter um zehn aus
dem Haus ist, werde ich auf dem Tisch tanzen,
laut Musik hören und die Jungs, sobald die
Schule aus ist, zum Kiffen einladen. Für alle ist
es ein großer Gewinn, dass wir jeden Tag bei
mir rumhängen und feiern können, als sei es
Wochenende. Noch einmal muss ich an das
denken, was Christian zu mir gesagt hat. Und
frage mich, ob ich auch ohne diese stets leere
Wohnung so eng mit Jan, Florian und Markus
befreundet wäre.
Am nächsten Morgen geht alles glatt: Ich darf
zu Hause bleiben und schlafe nochmal ein. Als
ich aufwache, ist meine Mutter bereits weg. Bis
die anderen aus der Schule kommen, dauert es
noch vier Stunden. Um mir die Zeit zu
vertreiben, blättere ich ein Hip-Hop-Magazin
durch. Die Anzeige eines Headshops bringt
mich auf eine großartige Idee. Ich steige auf
mein Fahrrad und fahre in die Stadt zum
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Hauptbahnhof. Auch die Jungs kennen das
Schaufenster des Ladens, den ich nun betrete.
«Hallo. Ich hätte gerne die Bong aus dem
Schaufenster.»
Bongrauchen ist bei Kiffern vor allem wegen
des besonders intensiven Gefühls so beliebt.
Der viel heftigere Flash soll mit nichts
vergleichbar sein, was man beim normalen
Kiffen erlebt. Außerdem benötigt man weniger
Gras, um high zu werden.
Die blaue Bong wird von der Verkäuferin, die
es offenbar trainiert hat, ihre drogensüchtigen
Kunden nicht abfällig anzuschauen, liebevoll in
graues Papier eingewickelt, und nachdem eine
stolze Summe den Besitzer gewechselt hat,
stecke ich das gute Stück in meinen Rucksack.
Ich werde niemandem etwas von der Bong
erzählen: Es soll eine große Überraschung
werden. Ein kleines bisschen von der richtigen
Spur abgekommen fühle ich mich schon beim
Kauf der Bong, aber ich sage mir, dass ich jung
bin und das Leben genießen will.
Doch welche Enttäuschung. Niemand hat Zeit
und Lust, nach der Schule zu mir zu kommen.
Ich kiffe jetzt seit gut einem halben Jahr, doch
heute erlebe ich das erste Mal einen intensiven
Schmacht nach Gras. Wenn man regelmäßig
kifft, ist das Gehirn die ständige
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