Breit - Mein Leben als Kiffer
wir die winzige Bar Bei Heidi .
Beinahe Freudentränen. Wir waren schon so
frustriert, als hätten wir gerade einen
Lottoschein mit sechs Richtigen verloren.
«Okay Monsen, bist du am Start?», fragt
mich Florian.
«He Mann, jetzt kannst du aber den Job mal
übernehmen.»
«Ach, Digger, ich bin da letztes Wochenende
mit reingegangen, und wenn ich nicht in so
guter Begleitung gewesen wäre, hätten die
mich sofort rausgeschmissen.»
Ich bin neugierig, will cool bleiben und die
Sache für uns alle managen. Ich stehe darauf,
die Gruppeninteressen zu vertreten, und bin in
unserer Klasse meistens Klassensprecher. Auch
wenn die Leute mich immer Labersack nennen
– in solchen Fällen finden sie es dann doch gut,
wenn einer reden kann.
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Also willige ich ein und betrete den
surrealsten Raum, den ich je gesehen habe. Es
ist düster, die Fenster sind mit Pflanzen
zugestellt und die Bar ist mit leuchtenden
Plastikpilzen und Lichterketten verziert.
Besonders hypnotisierend wirkt die rote
Anzeige, die blinkend und leuchtend die
jeweiligen Songtitel durchlaufen lässt. Der
Besitzer steht untätig hinter der Theke. Er sieht
aus wie ein bleicher, bärtiger Mathestreber, gar
nicht wie ein Dealer. An einem der fünf
Glücksspielautomaten
steht ein offiziell
aussehender Mann, der die Geräte ausleert und
alles Geld erst in eine Zählmaschine und dann
in einen großen grauen Beutel tut. So waschen
die also ihr Geld: Sie füttern die
Glücksspielautomaten damit. Der Dealer gibt
mir ein Zeichen, dass ich warten soll, bis der
Glücksspielmann weg ist. Eigentlich müsste der
doch Bescheid wissen. Egal, es sieht so aus, als
würde ich es schaffen. Ich spiele mit den
leuchtenden Plastikpilzen.
Erst nach einer zermürbenden
Dreiviertelstunde hat der Mann endlich das Geld
in diese komische, sich drehende Trommel
gekippt. Ich habe einen Kaffee und zwei Bier
getrunken. Eine seltsame Mischung: Cola,
Kaffee, Bier und bald noch THC obendrauf.
Ich bin noch jung und kann mir so was
erlauben, sage ich zu mir. Ich will auch nicht
mein ganzes Leben ein Kiffer bleiben, aber
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jetzt, in meiner Jugend, will ich den Rausch
richtig auskosten. Für mich ist die Sachlage
völlig klar: Kiffen gehört zur Schulzeit, nach
dem Abi höre ich selbstverständlich damit auf.
Denn nach der Schule beginnt für mich das
goldene Zeitalter: Dann muss ich mich nicht
mehr betäuben, sondern kann endlich all die
Dinge tun, die ich schon so lange tun will: Filme
machen, kreativ sein. Keiner bestimmt dann
mehr, wann ich aufstehen und für welche Dinge
ich mich interessieren muss.
«Was willst du?», fragt mich der Dealer, der
auf mich jetzt eher wie ein verkopfter Deutsch-
Rapper und nicht mehr wie ein Streber wirkt.
«Einen Fuchs», sage ich und drücke ihm das
Geld in die Hand. Schnell schnappe ich mir den
Beutel, den er mir reicht, und mache, dass ich
rauskomme. Erleichterung.
Die anderen begrüßen mich überschwänglich,
sie hatten schon Angst dass die Typen mich aus
irgendeinem Grund da drin festgehalten haben.
Wie erwartet feiern sie mich. Mit dreifacher
Geschwindigkeit fahren wir zurück, und kaum
dass wir in der Wohnung sind, setzt sich Florian
hin und baut uns einen Joint. Ich inhaliere tief.
Etwas geht in mir auf. Alles geht in mir auf. Ich
bin erfüllt von einer tiefen Zufriedenheit.
Den Rest der Nacht spielen wir Computer und
rauchen Joints. In Command and Conquer bin
ich unschlagbar, denn ich baue als Russe so
viele Mammutpanzer, dass ich die drei anderen
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damit überrollen kann. Niemand kann etwas
gegen meine Mammutpanzer ausrichten. Ich
war noch nie zuvor der Beste in irgendwas. Ein
berauschendes Gefühl.
Am Samstag schlafen wir bis vier Uhr
nachmittags. Dann machen wir so weiter wie in
der vergangenen Nacht: Wir sehen fern,
rauchen ein paar Joints und spielen Ego-
Shooter. Mann, geht’s uns gut!
Pornos und Abzocke
Die Wochen vergehen, und endlich lässt Jan in
der großen Pause durchblicken, dass er von
Dirk den Porno bekommen hat.
Voller Vorfreude treffen wir uns nach der
Schule an der Kreuzung, um schnell zu mir zu
gehen. Man kann sich wohl vorstellen, wie
fasziniert wir in den Kasten starren: Vier
unerfahrene Jungen verfolgen gebannt das
Innenleben eines Puffs an der mexikanischen
Grenze. Der Film ist von mehr als schlechter
Qualität, aber dafür lässt er absolut nichts aus.
Nichts wird verhüllt, jeden Zentimeter Haut
sieht man
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