Breit - Mein Leben als Kiffer
Spanierin, und er hält sich
für den größten Macho der Welt. Tatsächlich
fliegen die Mädchen alle auf ihn.
- 18 -
Neulich haben wir dann eben wie so oft zu
zweit in der Sonne auf der Mauer vor seinem
Haus gesessen und über die Schule und unsere
Lehrer gelabert. Darüber, wie behindert die
Mädchen in unserer Klasse doch sind. Und wie
blöd die Lehrer.
Schule an sich finde ich scheiße. Für mich ist
Unterricht, als ob ich im Gefängnis eine Strafe
absitzen müsste. Ich kann mich einfach nicht
konzentrieren und habe ehrlich gesagt auch
keine Lust dazu. Unser Lateinlehrer hat mir den
Spitznamen Kolibri verpasst, weil ich immer so
hibbelig bin, als ob mir Tausende von diesen
kleinen Vögeln im Kopf herumfliegen würden.
Florian hat geraucht, während wir über die
Schule lästerten, und da habe ich ihn spontan
nach einer Zigarette gefragt. Dieses leichte
Lächeln, das sich dann immer in seinem Gesicht
abzeichnet – nach jeder Zigarette, die er
raucht, sieht er zufriedener als vorher –, hat
mich neugierig gemacht.
Als ich drei war, hat mich meine Mutter schon
mal zur Abschreckung an einer Zigarette ziehen
lassen. Es schmeckte scheußlich, und ich
musste minutenlang husten.
In diesem Moment aber war das anders. Ich
inhalierte den Rauch tief, hustete nicht, und in
mir breitete sich ein unerwartet intensives
Gefühl aus. Leichter Schwindel, die Haut
kribbelte. Beim Nachhausefahren habe ich mich
auf meinem Fahrrad gefühlt, als könnte ich
- 19 -
fünfmal so schnell wie sonst fahren. Am
nächsten Tag habe ich mir meine erste
Schachtel gekauft.
Die Engtanzparty kommt nicht in Gang. Wir
hängen immer noch auf dem Balkon ab, als
Diana rauskommt und Dirk die Schüssel mit
dem Essen wegnimmt. Sie fragt uns, ob wir
noch ganz richtig im Kopf sind, und will Dirk
nach Hause schicken. Das gibt sie aber schnell
wieder auf, als Dirk sich vor ihr aufbaut und
trotzig entgegnet: «Nee, ich denk gar nicht
daran zu gehen, du kannst mich mal.»
Dirk ist älter als wir alle, weil er letztes Jahr
hängen geblieben ist. Er ist der Einzige aus
unserer Clique, der keine reichen Eltern hat.
Eigentlich war er mir noch nie sonderlich
sympathisch, weil er sich ständig über alles und
jeden lustig macht. Vielleicht, um selbst nicht in
die Schusslinie zu geraten; Dirk ist ziemlich
dick. Manchmal kann man mit ihm aber auch
ganz gut schnacken, ganz im Gegensatz zu
Markus oder Florian, die sich für nichts anderes
interessieren als für Fußball und Autos.
Irgendwann wird es uns draußen auf dem
Balkon langweilig, und wir gehen wieder rein.
Ein paar Leute haben schon angefangen zu
tanzen. Im Laufe des Abends tanze ich dann
mit einigen Mädchen zu Kuschelrock, ohne dass
wir uns groß dabei bewegen. Es stehen einfach
nur fünf Paare eng umschlungen im Raum
- 20 -
verteilt und wechseln zum Rhythmus der Musik
ihr Standbein. Ich tanze auch mit Nicole, dem
Mädchen, das ich später einmal heiraten werde
– zumindest glaube ich das im Moment. Schon
im Kindergarten habe ich ihr immer
Heiratsanträge gemacht, und jetzt habe ich
mich prompt wieder in sie verliebt. Was sie
natürlich nicht weiß, weil ich viel zu schüchtern
bin, um es ihr zu sagen.
Zwei Stunden Engtanz-Döse-Stimmung
später werden wir alle von unseren Eltern
abgeholt. Meine Mutter hat zu meinem
Entsetzen einen Blumenstrauß für Dianas
Mutter mitgebracht. Wie peinlich! Auf der Fahrt
nach Hause versucht sie mich auszufragen, wie
es denn gewesen ist und ob rumgeknutscht
wurde. Ich erzähle ihr nichts. Auch wenn wir
ansonsten ein inniges Verhältnis zueinander
haben und ich nach wie vor mit ihr an unseren
Abenden am Esstisch über vieles rede, nervt
mich diese Ausfragerei tierisch. Ich bin froh, als
wir endlich unsere große weiße Jugendstilvilla
erreicht haben und ich in mein Zimmer flüchten
kann. Unsere Wohnung hat unvorstellbar hohe
Decken und riesige Zimmer, früher war hier
mal eine Galerie. Vom Esstisch aus kann man
durch ein vier Meter hohes Fenster auf einen
Kanal sehen, der in die Außenalster mündet,
außerdem auf eine kleine Enteninsel und den
Garten. Ich sitze oft stundenlang am Fenster
- 21 -
und gucke raus. Jetzt ist es dafür leider schon
zu dunkel, und ich lege mich schlafen.
Am Montag, in der ersten großen Pause, ziehen
Jan, Markus, Florian und ich wieder unser
Manöver durch: eine bewährte Art und Weise,
wie wir die Pausen im Klassenzimmer
verbringen können, um
Weitere Kostenlose Bücher