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Breit - Mein Leben als Kiffer

Breit - Mein Leben als Kiffer

Titel: Breit - Mein Leben als Kiffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amon Barth
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Wohnzimmer wird die
    große Anlage meiner Mutter angeworfen.
    Überall Aschenbecher und Bierflaschen. Wir
    wollen feiern – als hätten wir heute zum letzten
    Mal die Gelegenheit dazu. Anfangs husten wir
    noch alle. Mit der Zeit gewöhnen wir uns aber
    - 162 -

    an das raue Kratzen im Hals. Später ziehen wir
    noch einen Kopf durch.
    «Der Nachteil mit Fixen aufzuhören war, dass
    ich meinen Freunden jetzt wieder im Zustand
    völliger geistiger Klarheit begegnen musste. Es
    war übel, sie erinnerten mich so sehr an mich
    selbst, dass ich ihren Anblick kaum ertragen
    konnte», sagt Mark Renton gerade in
    Trainspotting . Einen kurzen Moment denke ich
    wieder an Christian und an das, was er über die
    Jungs gesagt hat. Wieder entspricht die Film-
    und Fernsehwelt genau dem, was ich selbst
    gerade erlebe und denke. Als hätten die
    Filmleute auch das Drehbuch meines Lebens
    geschrieben.
    Obwohl ich im Moment natürlich nicht
    vorhabe, mit dem Kiffen aufzuhören, denn der
    Spaß geht ja jetzt erst richtig los. An die
    Zukunft kann und will ich momentan nicht
    denken, denn eins steht fest: Mit meiner
    jetzigen Einstellung werde ich auf gar keinen
    Fall mein Abitur schaffen.
    «Amon, Digger, ich hab grad so viel von dem
    Wodka geext, sooo viel!», ruft Florian mir zu,
    völlig betrunken, lallend.
    «Und wie fühlst du dich?», frage ich ihn.
    «Ich bin so derbe breit. Ich bin soooooooo
    derbe breit, Digger!»
    Eine halbe Stunde später posieren wir mit
    verrückten Verkleidungen und Hüten neben
    dem über einen Eimer gebeugten, kotzenden
    - 163 -

    Florian und machen Polaroid-Fotos. Unsere
    erste Bongsession endet morgens um sechs,
    heiter und ausgelassen. Die Bong bekommt von
    uns einen Namen: Mark Marley – nach Bob
    Marley und Mark Renton.
    Am nächsten Tag beschließen wir, alle
    gemeinsam auf eine Party zu gehen. Damit es
    nicht so teuer wird, besaufen wir uns im Vorfeld
    heftig und stopfen uns Agenten, unauffällige
    Minijoints. Man zieht mit den Zähnen den Filter
    einer normalen Zigarette heraus, steckt einen
    durchlässigen Jointfilter rein, bröselt vorsichtig
    die Hälfte des Tabaks raus und stopft die
    Zigarette mit einer starken Grasmische.
    Als wir an einer U-Bahn-Station umsteigen
    müssen, hören wir plötzlich ein Würgen und
    Platschen. Florian kotzt. Wir sind alle selbst viel
    zu betrunken, um uns um ihn zu kümmern, und
    torkeln, leicht nach vorne gebeugt, über den
    Bahnsteig. Im letzten Moment springen wir in
    die Bahn, bevor die Türen mit einem lauten
    Knall schließen. Als die U-Bahn anfährt, muss
    Florian mitten im Gehen wieder kotzen, und
    alles spritzt links und rechts gegen die
    Fensterscheiben. Wir wissen nicht, ob wir vor
    Scham im Boden versinken oder uns totlachen
    sollen. Florian gibt nur noch ein Stöhnen von
    sich. Jetzt muss auch ich kotzen – Jan direkt
    auf den Schoß. Er regt sich höllisch auf und
    beschließt, die Party sausen zu lassen, steigt
    bei der nächsten Gelegenheit aus und zeigt mir
    - 164 -

    den Mittelfinger. Florian und ich fahren bis zum
    Kiez weiter, kaufen uns an einer Tankstelle Cola
    und fühlen uns nach einer kurzen
    Regenerationsphase wieder frisch und bereit für
    den Rest des Abends.
    Partys werden für uns immer wichtiger.
    Langsam fühlen wir uns zugehörig, werden Teil
    eines riesigen Netzwerkes, der großen
    Kifferfamilie. Als Kiffer lernt man überall und
    ständig Leute kennen und tauscht mit ihnen
    allerlei Geschichten über Graffiti-Sprüher,
    Abgezogene und Abzieher und natürlich über
    sichere Bezugsquellen aus. So auch diesmal.
    Bis zum frühen Morgen sitzen wir rum, kiffen,
    hören Musik und erzählen uns die neuesten
    Gerüchte. Dirk ist auch da, aber außer einem
    kurzen «Alles klar, Alter?» wechseln wir kein
    Wort. In der Schule reden wir kaum
    miteinander, gehen uns aus dem Weg. Warum
    hier also freundlich tun?
    Am Ende sind nur noch Torsten, ein Typ aus
    meiner Schule, und ich übrig. Die Party ist
    vorbei. Torsten liegt kotzend auf dem
    Deichtorhallenplatz auf einer Bank, während
    ich, davon völlig unberührt, mit einem Fahrrad,
    das auf dem Gelände herumstand, immer enger
    werdende Kreise fahre. Ich konzentriere mich
    auf meine Kreise und versuche, sie so eng wie
    möglich zu fahren. Bis ich hinfalle und ein
    heftiger Schmerz meine Schulter durchzuckt.
    Ich muss nach Hause. Und Torsten auch.
    - 165 -

    Schließlich stützt er sich bei mir ab, und wir
    schleppen uns Richtung Hauptstraße.
    «He Torsten, Mann, ich glaube,

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