Breit - Mein Leben als Kiffer
Stimulation
gewöhnt. Die fehlt jetzt, und ich hänge ziemlich
durch. Es sind keine körperlichen
Entzugserscheinungen, denn rein biologisch
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macht Kiffen natürlich nicht abhängig, aber der
Anschub fürs Gehirn fehlt. Es ist, wie wenn man
nach einer Achterbahnfahrt aussteigt und
plötzlich wieder Boden unter den Füßen hat. Es
fühlt sich schal und langweilig an. Etwas fehlt:
der Kick. Das Stimulierende für Gedanken und
Geist. Deshalb will man sofort noch mal fahren
und löst eine zweite Karte. Raucht den
nächsten Joint.
Mein Traum von einem berauschten
Nachmittag, an dem ich meinen Freunden die
Bong präsentiert hätte und wir lachend und in
trauter Gemeinsamkeit ins Land der Freiheit
und des Rausches abgetaucht wären, ist also
zerplatzt. Ich ärgere mich wirklich tierisch,
denn ich habe keinen einzigen Krümel Gras
mehr, um meine Neuerwerbung
auszuprobieren. Kurz denke ich daran, dass ich
noch einen Berg von wichtigen
abgabepflichtigen Hausaufgaben erledigen
muss. Ich habe allerdings keine Ahnung, um
welche Seiten es sich handelt und wie
überhaupt die Fragestellung lautet. Irgendwas
wird mir schon einfallen, um der Arbeit aus
dem Weg gehen zu können. Vielleicht bin ich
morgen ja wieder krank oder ich kann den
Scheiß vor der Schule bei irgendwem
abschreiben.
Ich spiele Computer und bin tierisch wütend:
auf mich und meine Unfähigkeit, ohne Gras
high zu sein, auf die Welt, die voll mit
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primitiven Mongos ist, und auf meinen
Computer, der ständig abstürzt, als wollte er
mich ärgern. Im Gegensatz zu den Buddhisten,
die Hass und Wut als ein Gift ansehen, sind sie
für mich im Moment eher eine gesunde und
natürliche Reaktion auf widrige Umstände.
Wenn man von gewissen Menschen immer
schlecht behandelt wird, ist es normal, dass
man anfängt, sie zu hassen und ebenfalls
schlecht zu behandeln.
Zwei Tage später ist es endlich so weit: Ich
kann die Jungs mit der Bong überraschen. Doch
vorher müssen wir noch an Gras kommen und
Florian und ich verabreden uns direkt bei
unserem Dealer. Schnell werden wir mit ihm
handelseinig. Als wir gerade unsere Fahrräder
aufschließen, kommt ein kleiner Perser auf uns
zu.
«Habt ihr hier grad Ott gekauft?», fragt er.
Florian übernimmt das Reden. «Ja, haben
wir, wieso?»
«Zeig doch mal her.»
«Nee Mann, wir müssen gleich weiter.»
«Digger, mach mal nicht so mäßig auf ‹ihr
müsst weiter›.»
«Du weißt doch, wie ’n Fuchs aussieht.»
Florian und ich werden langsam nervös. Das
riecht nach Abzocke.
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«Ey Digger, bist du behindert oder was? Ich
will auch da holen. Zeig einfach mal, wie viel ihr
bekommen habt!»
Florian gibt nach und reicht dem Typen den
Beutel.
«Okay, lass mal jetzt rübergehen zum
Spielplatz.»
«Digger, gib mal jetzt wieder her.»
«Nein Mann, Pech gehabt.»
Florian fängt an panisch zu werden und den
Typ anzuflehen, ihm sofort das Gras
zurückzugeben. Aber der pfeift bloß dreimal,
und sein fast doppelt so großer Freund kommt
hinter einer Ecke hervor.
Wir stehen jetzt zu viert auf dem Spielplatz,
und die beiden drehen sich demonstrativ vor
unseren Augen mit unserem Gras einen Joint.
Florian versucht weiterhin, die beiden dazu zu
überreden, uns den Beutel zurückzugeben.
Ohne Erfolg. Sie lachen uns nur aus – dabei
sind sie mindestens zwei Jahre jünger als wir.
Anstatt uns das Gras zurückzugeben, wird der
Perser richtig aggressiv, pöbelt rum, droht
damit, Verstärkung zu holen, und hört erst auf,
nachdem ich ihm mein ganzes Geld gegeben
hab und Florian ihm seine goldene Halskette
überlässt. Florian fängt an zu weinen. Nicht
gerade tough – aber diesmal mache ich keinen
Spruch oder ziehe ihn damit auf. Heute nicht.
Vielleicht weil ich Mitleid mit ihm habe und
seine Angst verstehen kann. Und weil mir seine
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Reaktion zeigt, dass er genau wie ich auch eine
andere, eine schwache Seite hat. Vor allem
aber bin ich von der ganzen Situation einfach
nur genervt und will, dass der Stress endlich
vorbei ist.
Die beiden Perser sind inzwischen lachend
abgehauen, und ich versuche Florian dazu zu
überreden, den Mistkerl anzuzeigen, allein
schon wegen der Kette. Wir gehen also zur
Polizei und erzählen, dass wir gerade in der
Nähe waren und die uns angesprochen und
ausgeraubt haben. Die Nachforschungen der
Polizei ergeben allerdings nichts. Bei einer
Vernehmung einige Wochen später beschließen
wir, mit
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