Breit - Mein Leben als Kiffer
über die Jungs
und das Kiffen. Das passt nicht zu ihm und
gehört hier nicht hin. Nur einmal spricht Michael
mich beim Boulespielen drauf an.
«Du und deine Homies. Ich weiß ja nicht, ob
das alles so gut ist.»
«Ach, so schlimm sind die gar nicht. Die
Jungs sind echt locker, und später hör ich dann
ja sowieso auf mit dem Kiffen.»
«Na ja, wenn du meinst! Ich find das
jedenfalls ganz schön heftig, was du so
erzählst.»
Heftig ist für ihn im Gegensatz zu uns kein
Kompliment. Aber es ist mir egal, das Thema
ist damit beendet. Michael lebt in seiner Welt
und ich in meiner. Übrig bleibt ein Gefühl der
Überlegenheit ihm gegenüber, denn meine Welt
ist von Rausch geprägt.
Zurück in Hamburg, gehört zu den ersten
Dingen, die ich tue, einen Kopf zu rauchen.
Sofort weiß ich wieder, was mir gefehlt hat,
auch wenn die Zeit mit Michael in Italien
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wirklich nett war: die Intensität, das gute
Gefühl.
Der Wunsch, weniger zu kiffen, und die Lust,
immer mehr zu kiffen, führen ein munteres
Wechselspiel in meinen Gedanken. Natürlich
vermisst man den klaren Verstand, die wache
Intelligenz, die man besitzt, wenn man nicht
kifft. Aber so weit zu gehen, deshalb das Kiffen
zu lassen, kommt für mich nicht in Frage.
Verpasste Chancen und verkiffte Aktionen
Zur ersten Theaterprobe nach den Ferien kann
ich nicht hingehen, weil ich krank bin. Ich
ärgere mich halb tot, weil ich unbedingt die
Hauptrolle kriegen will. Aber auch bei der
zweiten Probe bin ich nicht dabei. Dieses Mal,
weil ich breit und faul mit den Jungs rumhänge
und mich nicht aufraffen kann hinzugehen.
Jetzt ist der Zug abgefahren; ich kann nicht
mehr mitspielen.
Für einen Moment gewinnt wieder die
Vernunft Oberhand: Es muss sich etwas
Gravierendes in meinem Leben ändern – und so
beschließe ich, weniger zu kiffen. Ich verbringe
fünf Stunden damit, mein Zimmer in einen
Zustand perfekter Ordnung zu versetzen, und
mache damit mich und nebenbei sogar auch
noch meine Mutter glücklich. Heute weiß ich
genau, wer ich bin: Ich bin Amon, und ich habe
das ordentlichste Zimmer auf der Welt. Den
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Gedanken, dass das Zimmer spätestens in einer
Woche wieder einem Schlachtfeld ähneln wird,
schiebe ich weit weg. Ich nehme mir fest vor,
ab jetzt mein Leben besser auf die Reihe zu
kriegen, und so rufe ich Michael an und
überrede ihn, mit mir zum Karate zu gehen.
Schon am nächsten Tag melde ich uns an –
meine Familie ist begeistert.
Als ich den Jungs davon erzähle, machen sie
sich erwartungsgemäß darüber lustig.
«Monsen, das Sportass, beim Karate. Na, das
kann ja heiter werden.»
Das Gerede lässt mich aber ziemlich kalt,
denn die Bewegung tut mir gut. Ich laufe in
dieser Zeit auch ein paar Mal um die Alster und
kiffe sehr viel weniger als sonst, gelegentlich
sogar nur am Wochenende. Ich bin richtig stolz
auf mich. Niemand weiß, dass ich zu Hause
noch eine kleine Menge Gras in meiner
holzgeschnitzten indischen Box habe. Meine
Notration.
Genau in jener Zeit stirbt unerwartet meine
Großtante Else. Ein bisschen traurig bin ich
schon, denn auch wenn ich sie nur selten
gesehen habe, mochte ich sie doch gerne. Ich
streite mich mit meiner Schwester um Tante
Elses Fernseher. Katharina will ihn zwar nicht
haben, ist aber auch dagegen, dass ich ihn
bekomme, weil ich ihrer Meinung nach sowieso
schon zu viel Zeit vor der Glotze verbringe. Ich
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setze mich durch. Meine Mutter erlaubt mir
alles, wenn ich nur hartnäckig genug bin.
Am nächsten Tag kaufe ich mir gleich noch
einen Videorekorder dazu. Jetzt kann ich auch
nachts das Erotikangebot des deutschen
Fernsehens genießen. Meine Ersparnisse sind
dadurch allerdings auf ein Minimum gesunken.
Ich habe im Lauf der Zeit, mal abgesehen von
den letzten Wochen, immer mehr Geld für Gras
ausgegeben, bis zu hundertfünfzig Euro im
Monat. Mein Taschengeld reicht hinten und
vorne nicht. Da ich Horst nicht ständig
anpumpen kann, bediene ich mich seit einiger
Zeit aus dem Portemonnaie meiner Mutter.
Irgendwann wird selbst ihr das auffallen. Eine
neue Geldquelle muss her, und da kommt mir
das Sparbuch meiner Großtante Else ganz
recht. Eigentlich soll ich es erst mit achtzehn
bekommen – aber warum warten?
Ich weiß genau, dass meine Mutter es in
ihrem Sekretär aufbewahrt. Ohne zu zögern,
klaue ich es. Sie wird es schon nicht merken,
bestimmt hat sie längst vergessen, wo sie es
hingelegt hat. Ich weiß
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