Breit - Mein Leben als Kiffer
verschafft zu haben. Ich habe
mich wohl in ihrer Sprache mit ihnen
verständigt.
Nach der Schule gebe ich Florian den
Rucksack zurück.
«Habt ihr mir was zu sagen?»
«Nö, wieso?»
Ich ziehe das Sparbuch aus der Jackentasche
und verlange das Geld zurück. Florian und
Markus lachen verlegen.
«Ey Monsen, nun reg dich mal ab, Alter. War
doch nur’n Scherz, wir hätten es dir schon
zurückgegeben», wollen sie mich
beschwichtigen. Erst als ich drohe, die Polizei
anzurufen, lenken sie ein und fahren nach
Hause, um das Geld zu holen.
Die nächste Zeit herrscht absolute Funkstille
zwischen mir und den beiden. Doch nur einen
Monat später hänge ich wieder mit ihnen rum.
Gras löscht viele Erinnerungen aus, auch die
negativen. Es macht nicht vergesslich, indem es
das Gehirn schädigt, sondern indem es das
Gehirn so überstimuliert, dass die alten
Erinnerungen einfach überschrieben werden.
Trotzdem werde ich den Gedanken nicht los,
dass zwei meiner besten Freunde mir mein
Sparbuch aus der Schreibtischschublade
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geklaut haben und das Geld ganz für sich
kassieren wollten. Mit solchen Leuten gebe ich
mich jetzt wieder ab. Mit falschen Freunden.
Meine Großmutter sagt immer: «Wenn du viele
Freunde hast, dann hast du keine.»
Andererseits – ich brauche Markus, Jan und
Florian auch. Andere Freunde habe ich nicht.
Okay, Michael vielleicht. Aber der ist eben –
anders. Höchstens Christian noch, aber mit
dem kann ich schließlich auch nicht jeden Tag
rumhängen. Außerdem: Was bin ich selbst denn
für ein Freund? Mich unterscheidet nichts von
Markus, Jan oder Florian. Ich bin bei Jan
eingebrochen, um ihm Geld zu klauen. Auch
wenn ich es letztlich nicht getan habe, die
Absicht reicht.
Unsere Grasressourcen sind das ganze Frühjahr
über voll im grünen Bereich, denn der
Coffeeshop in der Schanze, den wir kürzlich
aufgetan haben, ist eine zuverlässige Quelle.
Für bestimmte Momente ist Gras wirklich etwas
Tolles. Immer dann, wenn du nichts
unternehmen willst, ist es wunderbar
befriedigend. Musst du aber was erledigen, hast
du plötzlich Probleme. Du bekommst kaum
mehr was auf die Reihe, weil du dich nicht
richtig konzentrieren kannst und nicht wach
genug bist. Beim Karate war ich jetzt schon seit
drei Wochen nicht mehr, weil ich immer zu
stoned gewesen bin. Michael hat noch ein paar
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Mal versucht, mich mitzuschleifen, es dann aber
aufgegeben. Ich glaube, er geht inzwischen
auch nicht mehr hin. Habe lange nicht mit ihm
gesprochen.
Wir treffen uns jetzt öfter zu zweit, in
wechselnden Konstellationen, ohne den
anderen Bescheid zu sagen – dann gibt es
keine Probleme mit dem Aufteilen, und die
Atmosphäre ist entspannter. Als ich angefangen
habe zu kiffen, habe ich mir immer gesagt,
dass das nur eine Phase ist und ich schon bald
wieder aufhören werde. Doch seit Anfang des
Jahres kiffe ich täglich.
Der Übergang vom Gelegenheits- zum
Dauerkiffer war gar kein großer Schritt. Ich
habe Durst, also trinke ich, ich habe Lust zu
kiffen, also kiffe ich. Ich brauche inzwischen
keinen Anlass mehr dazu. Kiffen ist zu einem
Teil meiner Identität geworden. Ich bin ein
Kiffer.
Ich weiß, dass es destruktiv ist. Ich weiß,
dass ich mich selbstzerstörerisch verhalte,
immer wieder gegen meine guten Vorsätze
verstoße. Aber ich genieße dieses Fatalistische
auch, das Gefühl, sich in das Destruktive zu
versenken. Das darin Schwelgen hat etwas
unheimlich Faszinierendes. Es ist das Curt-
Cobain-Syndrom.
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«lch war stolz auf meine
Aggressivität» – Härtere Zeiten
Breite Tage, träge Sicht und große Liebe
Der Entschluss, weniger zu kiffen, hält leider
nicht sonderlich lange an. Allerdings gehen mir
die Jungs gerade auf die Nerven, und so rufe
ich Christian an, denn ich brauche mal wieder
anderen Input. Wir beschließen, gemeinsam auf
ein Hip-Hop-Konzert zu gehen.
Auf einem dieser unzähligen Konzerte habe
ich sie getroffen. Ich gehe oft alleine zu
Konzerten. Zum einen, weil ich als einer der
wenigen aus meinem Freundeskreis deutschen
Hip Hop höre, aber vor allem, weil ich unter der
Woche lange wegbleiben darf und meist genug
Geld habe, um den Eintritt zu bezahlen. An
einem dieser Abende stand ich wieder mal in
der ersten Reihe, als mir ein Mädchen auffiel,
das genauso begeistert wie ich jede Zeile
mitsang. Wir grinsten uns an. Ich wusste gar
nicht, dass man sich in jemanden so sehr
verlieben kann, ohne
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