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Breit - Mein Leben als Kiffer

Breit - Mein Leben als Kiffer

Titel: Breit - Mein Leben als Kiffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amon Barth
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geraten, weniger zu kiffen.
    Im Moment mache ich allerdings genau das
    Gegenteil. Es ist halb elf. Leider ist meine
    Mutter noch wach, und ich werde noch ein oder
    zwei Stunden warten müssen, bis ich endlich
    meine Köpfe durchziehen kann. Noch nie in
    meinem Leben habe ich mich in so kurzer Zeit
    so verändert wieder gefunden. In den letzten
    Wochen rauche ich nahezu jeden Abend Köpfe
    durch meine Bong, das ist nicht nur intensiver
    und ergiebiger, sondern geht auch schneller.
    Ich sehne mich danach, eine Freundin zu
    haben. Ich sehne mich nach Silke.
    Endlich kommt kein Licht mehr aus dem
    Zimmer meiner Mutter. Sie schläft. Ich lasse
    mich aufs Sofa fallen und suche meine
    Utensilien zusammen, lecke eine Zigarette an
    und brösele den Tabak in meine Mischerschale.
    Meine Tage sind vom Rausch geprägt, und
    meine Gedanken durch den Zustand des
    Dauerbreitseins auf ganz andere Dinge
    ausgerichtet. Im Moment erwische ich mich
    gerade dabei, wie ich versonnen auf eine
    Lichtbrechung in meiner Bong starre. Ich achte
    - 187 -

    generell mehr auf Formen und Farben und
    beobachte manchmal sehr lange einen Baum,
    das Wasser oder auch nur ein fliegendes
    Staubkorn. Ständig fallen mir mysteriöse
    Zufälle auf, eben gerade singt Ferris MC, wie
    «fertig» und «aasisch» er ist – als würde er
    mich kennen und über mich singen.
    Ein kleiner Kamikazepilot ist aus mir
    geworden, der Schule, Gesundheit und
    Verstand aufs Spiel setzt. «Um etwas zu
    gewinnen, muss man erst mal alles verlieren»,
    sagt Ferris MC – inzwischen ist das auch zu
    meinem Motto geworden. Vielleicht habe ich
    deshalb trotz des Kiffens das Gefühl, nur selten
    richtig zur Ruhe zu kommen. Wie jetzt: Zwei
    Stunden vor dem Internet rumzusitzen zieht
    mich eigentlich nur runter, und allein der
    Gedanke, morgen um sechs Uhr, zur
    Frühstunde, hochzumüssen, macht mich ganz
    krank. Die Schule und das Bedürfnis, so viel wie
    möglich zu kiffen, erzeugen in meinem Inneren
    ein hektisches Wechselleben.
    Inzwischen habe ich genügend Gras in die
    Schale gebröselt und beginne, damit den Kopf
    der Bong zu stopfen. Mein Leben erscheint mir
    wieder mal wie eine langsame Endlosschleife.
    Ich schleppe mich zur Schule und klappere
    Familie und Freundeskreis ab, und nebenbei
    kiffe ich mir die Birne zu und höre Hip Hop.
    Alles wirkt beliebig, wiederhol- und
    austauschbar. Ich nehme die Welt nur noch
    - 188 -

    durch die Maske der Müdigkeit wahr und
    schiebe mich eher durchs Leben, als durch es
    zu gehen.
    Doch darüber möchte ich jetzt nicht
    nachdenken. Ich presse den Mund gegen die
    Röhre, drücke das Kickloch fest zu und halte ein
    Feuerzeug an den Kopf: heftig saugen. Der
    Rauch wird durch die blauen Schläuche in die
    Kammern gezogen und füllt nun langsam die
    ganze Bong. Ich öffne das Kickloch, der Rauch
    schießt in meine Lunge, und wieder einmal
    verteilt sich für einige Sekunden das
    großartigste Gefühl, das schönste und
    intensivste Gefühl, das man sich vorstellen
    kann, im ganzen Körper.
    Nach zwei weiteren Köpfen lasse ich mich ins
    Bett fallen und schlafe sofort ein.
    Die Frühstunde am nächsten Morgen nehme ich
    nur halb wahr. Die Tatsache, dass wir in einer
    Freistunde im Park einen großen Joint rauchen,
    lässt mich den Schultag allerdings etwas rosiger
    sehen. Meist bin ich zu meinen Lehrern sehr
    freundlich. Mir ist klar, alle wissen, dass ich
    kiffe, sie können sehen, wie dunkel meine
    Augenringe und wie rot meine Augäpfel sind.
    Ab und zu kommen ein paar spitze
    Bemerkungen à la «wir wissen, wo ihr in der
    Pause immer hingeht». Aber nie spricht uns
    jemand direkt darauf an.
    - 189 -

    Was sollten sie auch zu uns sagen? Kifft nicht
    so viel. Das ist nicht gut für euch. Wir sagen es
    euren Eltern.
    Wir hätten sie doch nur angegrinst und
    behauptet: «Wir? Kiffen? Da täuschen Sie sich
    aber. Wir doch nicht!»
    Nachweisen können sie uns nichts. Und wir
    sind uns sicher, dass sie ohne irgendwelche
    Beweise nichts unternehmen würden.
    Vor kurzem haben wir zwar einen neuen
    Schulleiter bekommen, der gegen
    Drogenkonsum in der Schule «härter
    durchgreifen» will, wie man munkelt. Man
    erzählt sich, dass im Lehrerzimmer seit
    neuestem eine Liste mit den Namen der Schüler
    hängt, die kiffen. Doch als uns der neue
    Schulleiter neulich in der Pause beinahe
    erwischt hätte, ich konnte gerade noch die
    Bong in meinem Rucksack verschwinden lassen,
    haben wir auf seine Frage nach dem Kiffen
    einfach nur geantwortet: «Wir? Wir

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