Breit - Mein Leben als Kiffer
alles
Schlechte. Wir unterhalten uns über Gott und
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die Welt. Ich erzähle ihr alles. Die Erlebnisse in
der Schule, von den Konzerten, zu denen sie
ausnahmsweise nicht mitgekommen ist, und
von allerlei anderen witzigen Dingen. Sie ist die
Frau meiner sehnsüchtigsten Südseeträume,
einfach perfekt. Ich versinke regelrecht in
meinem Glück. Manchmal will ich gar nichts
anderes, denn ich bin schon dankbar genug
dafür, dass ich sie als Freundin habe. Sie ist
meine erste große Liebe, doch ich ahne bereits,
dass wir nie zusammenfinden werden.
Wir essen ein Eis, und dann muss sie leider
auch schon gehen. Sie trifft sich noch mit ihrer
Mutter zum Einkaufen. Ganz benebelt von dem
schönen Gefühl, Silke begegnet zu sein, mache
ich mich auf den Rückweg.
Als ich nach Hause komme, ist meine Mutter
bereits auf dem Land. Fear and Loathing in Las
Vegas ist angesagt, und endlich werden Jan,
Markus, Florian und ich mal wieder gemeinsam
die Nacht zum Tage machen. Carpe Noctem.
Ein nur aus Saufen, Rauchen und
Fernsehgucken bestehendes Wochenende liegt
vor uns. Ein Salut an die Freiheit und das
Glück. Dieses Gefühl ist schwer einzufangen:
absolute Zeitlosigkeit, keine Verpflichtungen –
außer die, high zu werden.
Der Film geht los. Man merkt schnell, dass es
um zwei etwas durchgeknallte Hippies geht, die
durch Zufall an einen journalistischen Auftrag
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gekommen sind und sich auf einen Drogentrip
nach Las Vegas begeben:
«Der Kofferraum unseres Wagens sah aus
wie ein mobiles Labor des Rauschgiftdezernats.
Wir hatten zwei Beutel Gras, fünfundsiebzig
Kügelchen Meskalin, fünf Löschblattbögen
extrastarkes Acid, einen Salzstreuer halb voll
mit Kokain und ein ganzes Spektrum
vielfarbiger Upper, Downer, Heuler und Lacher
… sowie eine Flasche Tequila, eine Flasche
Rum, einen Karton Budweiser, einen halben
Liter unverdünnten Äther und zwei Dutzend
Knick und Riech dabei.»
Der Film ist um vier Klassen kultiger als
Trainspotting und Pulp Fiction zusammen. Er leitet eine großartige Zeit ein und zieht uns in
rasender Geschwindigkeit in seine Welt. Der
Film und die Realität werden für mich eins. Es
geht in dem Streifen um den schrillsten,
verrücktesten und buntesten Drogentrip, den
man sich vorstellen kann, und
dementsprechend beeindruckt er uns sehr. Wir
rauchen abwechselnd Bong, während wir die
Szenen genießen. Dieser Abend bestärkt mich
wieder in dem Wunsch, später selbst einmal
Filme zu machen. Solche wie Fear and Loathing
sollen es sein, die alle Normalität über Bord
werfen.
Anschließend drücke ich Florian die Bibel in
die Hand und sage ihm, er soll sie irgendwo
aufschlagen: «Und sie sprachen: So lasst uns
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auf sein und bauen! Und ihre Hände wurden
gestärkt zum Guten.» Florian und ich
amüsieren uns lange darüber, dass diese Stelle
so wunderschön zum Kiffen passt. Irgendwie
macht es mir aber auch ein bisschen Angst.
«Ist euch mal aufgefallen, dass wir zu
richtigen Extremkiffern geworden sind?», frage
ich, um mich von diesem Gedanken
abzulenken.
Niemand antwortet. Doch tatsächlich sind wir
inzwischen eine so eng verschworene
Rauchgruppe geworden, dass man uns mit der
Clique in Trainspotting vergleichen könnte. Wir sind wahre Kifferprofis geworden, wissen alles
über Beschaffung, Preise und Qualität, wir
wissen, mit welchem Tipp und welcher Technik
man den perfekten Joint dreht, und wir können
uns unterwegs mit einem Kugelschreiber und
einer Plastikflasche eine Bong bauen. Wir sind
die Gras-McGyvers und richtige Insider, wenn
es um THC-Konsum geht.
Es gibt einen unvorstellbar großen Markt für
Drogenzubehör. Das Wichtigste ist jedoch, über
das Rauchen und die Wirkung genau Bescheid
zu wissen. Maximaler THC-Wert im Blut und
perfekte Unterhaltung durch Film und Musik.
Wir schwelgen in unserem Leben und haben
noch immer nicht die Motivation verloren, über
alles Mögliche zu lachen.
Unsere Beziehung zueinander verändert sich
ständig. Unsere Freundschaft erlebt Höhen und
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Tiefen. Mal sitzen wir in trauter Einigkeit vor
dem Fernseher und kiffen, dann bescheißen wir
uns, und die Jungs plündern wieder mal den
gesamten Speiseschrank oder backen komische
Brote aus ekelhaftem Klebeteig, der dann den
ganzen Herd verdreckt. Wir sind jung, und
außer dass wir bekifft sein wollen, haben wir
keine anderen Ansprüche an das Leben. Also
holen wir den Stoff, sorgen dafür, dass
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