Breit - Mein Leben als Kiffer
Es ist wie in Fight
Club , wo es auch darum geht, dass Menschen
in einen geheimen Club aufgenommen werden
wollen, aber zu Beginn von den Mitgliedern
immer wieder weggeschickt werden. Eine
Prüfung.
Ich lasse mich trotzdem vertreiben und trotte
durch den Regen Richtung Innenstadt. Ein Taxi
hält genau vor meiner Nase; zwei Mädchen
steigen aus. Ich habe wieder dieses
bedrängende Gefühl, sie würden über das
- 224 -
reden, was ich gerade denke. Ich steige in ihr
Taxi und lasse mich nach Hause fahren.
Den nächsten Tag verbringe ich alleine vor der
Glotze. Auch das Fernsehen macht mich
paranoid. Die Leute in den Filmen scheinen mit
mir zu sprechen, einmal habe ich das Gefühl,
mein Gehirn sei mit dem Fernseher verdrahtet
und ich müsse aufpassen, dass keine der
Filmfiguren durch mich in die Realität gelangt.
Ich schalte den Fernseher trotzdem nicht
aus. Er lenkt mich ab. Vielleicht ist auch meine
Angst zu groß, mit mir alleine zu sein. Es hilft
nichts, ich muss mit jemandem reden, sonst
werde ich wirklich noch verrückt.
Abends sitze ich meiner Mam am Esstisch
gegenüber, nehme all meinen Mut zusammen
und erzähle ihr von der Party auf dem Boot.
Wie immer reagiert sie nicht schockiert,
zumindest nicht nach außen, sondern
besonnen. Sie macht mir keine Vorwürfe,
versucht vielmehr zu ergründen, was genau an
diesem Abend mit mir los war.
«Amon, du weißt, dass solche psychotischen
Schübe durch das Kiffen kommen, oder?»
Sie redet mir gut zu, dass ich zu einem
Psychologen gehen soll. Ich weigere mich, ich
bin ja nicht verrückt.
Doch meine Mam bleibt hartnäckig. «Du
brauchst Hilfe.»
- 225 -
Schließlich gebe ich klein bei. Vielleicht ist es
ja gar nicht so schlecht, mal mit einem Profi zu
reden. Am nächsten Tag lasse ich mir einen
Termin geben.
Der Besuch beim Psychologen wirkt Wunder,
auch wenn ich mit ziemlich gemischten
Gefühlen dorthin gehe. Durch das Gespräch mit
ihm gelingt es mir, die Situation besser
einzuordnen und zu verarbeiten.
Wieso habe ich nur geglaubt, dass
irgendwelche Leute auf der Party meine
Gedanken lesen konnten? Ich habe mir diesen
gesamten Horrortrip zum Glück nur eingebildet.
Bis auf eine Menge bunter Sachen an den
Wänden gab es auf der Party nichts
Außergewöhnliches. Nach einer Weile beginnt
mich das Gespräch zu nerven, und als der
Psychologe vermutet, dass ich LSD genommen
habe, lüge ich schnell und sage ja, damit er
eine einleuchtende Erklärung für das Ganze hat
und ich gehen kann. Mit reichlich Mahnungen
und Warnungen und einer Adresse für
Suchtprävention im Gepäck verlasse ich seine
Praxis.
Nichtsdestotrotz beschließe ich, drogenmäßig
ein wenig kürzer zu treten, und kiffe nur noch
drei- bis viermal in der Woche. Den Jungs
erzähle ich nichts von meinem Boot-Trip, schon
gar nicht von meinem Besuch beim
Psychologen. Wenn die glauben, ich habe eine
- 226 -
psychische Macke, brauche ich mich da nicht
mehr blicken zu lassen.
Ganz aufzuhören kommt auch nach diesem
Erlebnis nicht in Frage. Kiffen ist ein
elementarer Bestandteil meines Lebens, gehört
dazu wie Zähneputzen. Damit aufzuhören
würde bedeuten, mich von allem zu
verabschieden, was momentan mein Leben
ausmacht. Alles ist ja durchdrungen vom Kiffen,
überall geht es nur darum: in der Musik, die ich
höre, in den Büchern, die ich lese, in den
Filmen, die ich sehe – und beim Zusammensein
mit den Leuten, mit denen ich mich treffe. Mit
dem Kiffen aufzuhören würde auch bedeuten,
mit Markus, Jan und Florian zu brechen. Und
das will ich nicht.
Endlich Sommerferien! In der letzten
Ferienwoche findet ein großes Hip-Hop-Festival
in Chemnitz statt, der Splash . 25000 Leute.
Sechs Bühnen und Zelte. Die besten Hip-Hop-
und Rapacts. Ein Graffiti-Battle. Drei Tage nur
Chillen, Musikhören und Kiffen. Von den Jungs
hat keiner Zeit, auch Silke kann nicht mit, sie
ist mit ihren Eltern im Urlaub. Echt schade.
Zumindest hat sie mir die Telefonnummer von
einem ihrer Freunde gegeben, der mich mit
dem Auto mitnimmt.
Als ich das Festivalgebäude betrete, komme
ich aus dem Staunen nicht mehr raus. So stelle
ich mir Woodstock vor: Direkt vor uns liegt eine
- 227 -
kilometergroße Zeltstadt. Hunderte von Zelten
stehen dicht an dicht hinter einer Reihe von
Polizeiwagen. Die Polizei scheint die Leute nicht
zu stören, rechts von mir sehe ich einen, der
gerade vor seinem Zelt seine Bong sauber
macht.
Die Freunde von
Weitere Kostenlose Bücher