Breit - Mein Leben als Kiffer
ich weiß doch,
dass du ständig breit bist. Mir kannst du da
nichts vormachen. Los, sag schon.»
«Na ja, manchmal halt auch einen unter der
Woche.»
«Was heißt manchmal?»
«Eben manchmal. Halt nicht immer.»
«Lass dir echt gesagt sein, wie scheiße das
ist. Das bringt dir überhaupt nichts. Das
machen nur die Doofen. Da wirste dumm und
bräsig von.»
«Ja, Sister, hast ja Recht.»
«Versprichst du mir, weniger zu kiffen?»
«Ja, mach ich.»
«Wirklich?»
«Jahaa!»
Nach einem solchen Gespräch glaube ich fast
selbst an das, was ich sage, und nehme mir
vor, weniger zu kiffen. Aber Gelegenheit macht
Kiffer. Und Gelegenheiten gibt es ständig.
- 214 -
Langsam beginnt es auch in der Schule
brenzlig zu werden. Gegen das Kiffen sagt
niemand was, solange du funktionierst. Wenn
aber deine Leistungen schlechter werden oder
du ständig fehlst, gibt es Stress. Gestern kam
ein blauer Brief wegen der Fehlstunden.
Stundenlange Gespräche folgen, Appelle an
mein Gewissen und meine Vernunft.
Mam ist nicht davon abzubringen, dass sie
mich mit Worten überzeugen kann. Ihr fester
Glaube ist, dass ich durch die Freiheit, die sie
mir lässt, und das Vertrauen, das sie in mich
setzt, schon selbst zur Vernunft kommen
werde. Ich weiß, dass sich meine Familie große
Sorgen macht, dass ich das Abitur nicht
schaffe. Ich bin zu faul, nicht zu dumm, sagen
sie. Ich antworte dann immer, dass Faulheit
auch eine Dummheit sein kann. Kiffen und eine
Familie zu haben gestaltet sich für mich als ein
äußerst schwieriger und lügenreicher Job. Als
Kiffer muss man nach außen immer
signalisieren, alles ist in Ordnung, mir geht es
gut, also lasst mich in Ruhe. In Wahrheit hat
die Droge mich unter Kontrolle und nicht ich
sie. Aber die Symbiose gefällt mir.
Ich rauche jetzt einen dritten Kopf und werde
ein wenig melancholisch, als ich ein starkes
Stechen in der Lunge spüre. Es ist hart, einen
Körper mit der Fähigkeit zum Empfinden von
Schmerzen zu besitzen. Eigentlich ist es
paradox, dass das Kraut, das dich zur
- 215 -
Erleuchtung führen soll, gleichzeitig deine Sinne
vernebelt.
Statt eines immermüden Kiffers wäre ich
gerne ein Zenmeister. Ich denke an den
Karatekurs, den ich begonnen und nie zu Ende
gemacht habe, weil ich mich an den
Trainingstagen lieber fürs Kiffen entschieden
habe. Zenmeister finden ihr Glück in ihrem
Körper und gehen drogenfrei in ihr selbst
geschaffenes Paradies über. Sie lieben ihren
Körper und würden es nicht wagen, ihn mit Gift
zu belasten. Kiffen ist Anti-Zen und eher was
für Masochisten.
Jemand, der gerne ein wenig leidet und auf
diesem Weg zum Glück finden will, ist richtig
beim Kiffen. Bei jedem Zug, den man sich in die
Lunge zieht, muss man dieses stechende Gefühl
im Brustkorb ertragen. Die Schmerzen in der
Lunge können die Rauscherfahrung aber auch
intensivieren. Sie verstärken das Gefühl des
Sich-gehen-Lassens, und das Gras hilft einem
dabei, die Schmerzen zu ignorieren. Ich habe
immer häufiger Magenschmerzen. Sie treten
unregelmäßig auf, aber ich bin mir sicher, dass
sie mit dem Kiffen zusammenhängen. Egal, ich
barz einfach einen, und schon ist alles
erträglich. Drogen heißen nicht ohne Grund
Betäubungsmittel.
Ich denke zu viel. Während ich stoned auf
dem Sofa sitze, höre ich meine innere Stimme
unentwegt plappern. Manchmal schreibe ich
- 216 -
mit. Endlose, sich um sich selbst drehende
Betrachtungen, die sich im breiten Nichts
verlieren. Dunkler, schwerer Rauch liegt im
Raum. Meine Seele erstickt unter der Asche.
Große Feste, fette Bässe und laute
Stimmen
Heute Abend ist Silkes Geburtstagsparty, für
die sie extra das Jugendzentrum gemietet hat.
Den Kontakt zu den Jungs und auch zu Silke
habe ich in den Hauptbahnhofhaschwochen
sehr eingeschränkt. Ich war einfach voll und
ganz mit mir und meinen Rausch beschäftigt.
Jetzt, wo es alle ist und ich wieder normales
Gras rauche, bin ich nicht mehr ganz so breit.
Für Silke habe ich ein Supergirl-T-Shirt gekauft;
bin gespannt, wie sie es findet, ob sie es gleich
überstreifen oder etwas irritiert darüber sein
wird, dass ich ihr etwas zum Anziehen schenke.
Ich steige vier Mal um und komme nach einer
halben Ewigkeit endlich in Silkes Dorf an. Hier
soll ich an der Bushaltestelle warten, bis sie
mich abholen. Da hinten ist sie: Silke, extra
herausgeputzt für den Partyabend. Ich hätte nie
gedacht, dass mich die Schönheit
Weitere Kostenlose Bücher