Breit - Mein Leben als Kiffer
Mitte der Tanzfläche, schnorre mir
eine Zigarette und tanze so gut ich kann. Sehe
ich richtig? Ist das dort oben am Geländer nicht
der Rapper von Doppelkopf? Das muss er sein!
Zuerst freue ich mich, schließlich höre ich
momentan jeden Tag seine Platte. Dann kommt
mir dieser Zufall doch seltsam vor. Die haben
das gewusst.
Zum ersten Mal in meinem Leben drehe ich
richtig durch. Ich gehe nach oben und suche
Silke. Sie ist weg. Ich fühle mich verlassen. Das
hier ist doch keine normale Party! Die
Menschen scheinen mich alle zu beobachten,
als wäre ich ihr Versuchskaninchen. Ich
betrachte die Wände mit den Fotos, drehe mich
hektisch um und stoße mit einem der Gäste
zusammen. Diese Person – ist sie real? – fängt
an, mir Fragen zu stellen. Ob ich lieber ein
Feuerwehrmann oder ein Polizist werden will?
Ich fühle, dass das eine der wichtigsten
Entscheidungen meines Lebens ist.
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Feuerwehrmann oder Polizist? Feuerwehrmann
oder Polizist? Die Feuerwehrmänner haben die
ganzen Hippiebilder an der Wand gemalt, und
die Polizisten sind für den Hip-Hop- und DJ-
Kram im anderen Raum des Bootes zuständig.
Ich muss mich entscheiden, zu welcher Fraktion
ich gehören möchte.
Auf einmal ist alles möglich, wenn ich nur
daran glaube. Das Schiff erinnert mich an das
U-Boot, das in Illuminatus beschrieben wird.
Das hier ist keine normale Party, sondern ein
Geheimtreffen eines verrückten Hip-Hop- und
Hippiebundes. Der Mann, der mir die Frage
nach den Polizisten und Feuerwehrmännern
gestellt hat, will, dass wir uns in einer halben
Stunde wieder an dem gleichen Platz treffen
und ich ihm meine Entscheidung mitteile.
Ich renne raus in den Regen. Von allen
Seiten höre ich Stimmen, die aussprechen, was
ich denke und fühle. Sie kontrollieren mich mit
ihren Worten. Unentwegt höre ich sie in
meinem Kopf reden. Ich stehe unter einer
großen Plane mit zwei Typen, die einen Joint
bauen. Ich hasse die beiden sofort. Sie gehören
auch zu denen, die sich gegen mich
verschworen haben. Ich gehe zu ihnen und
fordere provokant eine Zigarette. So leicht
schüchtern die mich nicht ein. Sie geben mir
eine. Da kommen Silkes Freunde über die
Schiffspritsche. Ich renne auf sie zu und stelle
mich ihnen in den Weg.
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«Ey Mann, was sollte das bitteschön gerade
da drin?»
«Hä? Was meinst du denn? Ist doch ’ne coole
Party, oder?»
Wollen die mich verarschen?
«Lügt mich nicht an, ihr wisst ganz genau,
was hier läuft!», schreie ich sie hysterisch an.
Die Jungs gehen einfach an mir vorbei und
lassen mich vor der Planke stehen. Das können
die doch nicht machen! Mit mir nicht!
«Reg dich ab», sagt einer von ihnen im
Vorbeigehen.
Tränen steigen in mir hoch. Weinend stehe
ich im Regen. Verzweifelt. Wo ist Silke? Mir ist
kalt, ich werde nass bis auf die Haut.
Schließlich gehe ich wieder rein. Ich muss ja
auch noch dem Typen sagen, zu wem ich jetzt
gehören will. Er ist nicht da. Um mich zu
beruhigen, rauche ich einen großen Joint.
Auf einmal sehe ich, dass eine Reihe von
Rappern auf die Party kommt, von denen ich
Platten zu Hause habe. Jetzt drehe ich richtig
durch, renne hektisch durch die Menge. Ich
muss versuchen, in das Herzstück dieses
Schiffes vorzudringen. Es ist wie bei einem
Kriegseinsatz. Adrenalin schießt in meinen
Kopf. Angstschweiß. Ich renne auf die Tür
neben der Bar zu, mache sie schnell auf und
schlüpfe in den Flur. Die haben mich bestimmt
gesehen, also sind sie gleich hier. Ich muss
jetzt überlegt und schnell handeln. Zu meiner
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Rechten befindet sich eine Tür neben der
anderen. Welches ist die richtige? Weswegen
bin ich überhaupt hier? Ich habe keine Zeit
nachzudenken, muss mich schnell entscheiden,
denn sie werden gleich da sein. Ich öffne die
vierte Tür und komme in eine kleine Kajüte, in
der zwei Männer in Unterhosen auf einem
Hochbett einen Joint rauchen. Sie schreien mich
an, dass ich sofort das Zimmer verlassen soll.
Ich stürme raus und setze mich wieder in den
Hippie-Feuerwehrmannraum. Die beiden Typen
aus der Kajüte tauchen auch dort auf. Sie reden
mit einem Furcht einflößenden Kerl,
wahrscheinlich der Rausschmeißer. Er schaut
sich suchend um.
In diesem Moment betritt ein Mann mit
einem Megaphon die Tanzfläche. Vordergründig
redet er vom Ende der Party und dass alle
gehen sollen – aber ich weiß, dass er nur mich
meint. Die wollen testen, ob ich
Durchhaltevermögen habe!
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