Breit - Mein Leben als Kiffer
gemeinsam
chillen können. Richtig gute Freunde werden wir
wohl nie mehr, nach allem, was vorgefallen ist.
Aber immerhin reden wir wieder miteinander.
Ließ sich ja auch nicht vermeiden, wo wir uns
täglich in der Schule sehen und einen
gemeinsamen Freundeskreis haben. Und
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irgendwann war dann die ganze Sache nicht
mehr so wichtig.
Mittlerweile ist es vier Uhr geworden, und
Florian ist neben mir auf dem Boden
eingeschlafen. Normalerweise ist er nicht der
Typ, der um vier schon schläft. Aber wir alle
haben viel zu viel gutes Gras gekifft, um so zu
sein wie sonst. Ich fühle mich prächtig,
hellwach. Tausend Sachen gehen mir im Kopf
herum, und ich schreibe all meine prallen Ideen
in das schwarze Notizbuch, das ich mir gestern
gekauft habe. «We all live in a yellow
submarine», notiere ich. Was für eine passende
Beschreibung. Ein gelbes U-Boot, das alle
störenden Geräusche und Einflüsse abhält und
uns durch eine blubbernde Unterwasserwelt
fährt. Ich denke prall. Und finde alles, was ich
schreibe, äußerst bedeutungsvoll und klug.
Dass mein Geschreibsel, mit nüchternem Kopf
gelesen, meist ziemlich banal und sinnlos
klingt, bemerke ich nicht.
Ich lebe die Hymne des Kiffens, die mir
vorgesungen wurde und die wir uns alle immer
wieder gegenseitig vorsingen. Auch wenn ich
durch das Kiffen immer depressiver werde,
sehe ich es noch als etwas Glorreiches an.
Ich sitze nun also breit auf dem grünen
Teppich in meinem Zimmer und sammle alle
Graskrümel zusammen, die ich finden kann.
Irgendwann werde ich froh sein, diese
mikroskopisch kleinen Reste zu haben, da bin
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ich mir sicher. Neben mir ein schnarchender
Florian, die anderen sind sonst wo. Ich kritzele
weiter in mein Notizbuch. Schreibe über die
leicht melancholische Freude, die man beim
Dauerbreitsein empfindet. Ein Gedanke
erscheint mir so wichtig, dass ich ihn sofort
mitteilen muss.
«Ey Florian, wer immer du auch bist, wach
mal wieder auf.»
«Was ist denn, Alter, lass mich mal
weiterpennen.»
«Ich habe gerade die beste Idee meines
Lebens gehabt!»
«Ach Mann, Keule, lass mich in Ruh.»
«Nee, hör mal zu. Ich weiß, wie man einem
Kiffer das Kiffen abgewöhnen kann: Sag ihm
einfach, dass es da noch ’ne andere Droge gibt.
Vielleicht hat er davon noch nie was gehört,
vielleicht hat er aber auch nur vergessen, dass
er sie mal hatte. Die Droge heißt:
Bewusstsein.»
«Monsen?»
«Ja?»
«Das ist der derbste Schwachsinn, den ich je
in meinem Leben gehört habe.»
Wir rauchen noch einen Joint zusammen und
legen uns wieder schlafen. In meinem Traum
komme ich dahinter, dass die Welt ein einziges
riesiges Holodeck ist, ein Holodeck wie bei
Raumschiff Enterprise . Aber niemand klärt die
Menschen darüber auf.
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Es ist ein Alptraum.
Am nächsten Tag wachen wir erst gegen
Nachmittag auf. Der Traum ist vergessen und
macht einem wunderbaren Gefühl Platz, dem
Gefühl, in einem gelben U-Boot zu sitzen und
seine Zeit mit Fernsehen, Kiffen und Reden zu
verbringen. Zwei Joints später hocken wir zu
viert vor dem inzwischen ausnahmsweise mal
ausgeschalteten Fernseher, als es klingelt.
Ach, du Scheiße! Das Schulsprecherteam. Wir
wollten uns um sechs bei mir treffen. Meine
Gedanken überschlagen sich. Maren. Das Team.
Ich sollte was vorbereiten. Dann erkenne ich
die Lösung: Ich muss mich einfach entspannen.
Dieses Schulsprechertreffen sollte mir am
besten vollkommen gleichgültig sein. Was soll
schon passieren? Maren findet mich vielleicht
nicht mehr gut, und die anderen im Team sind
sauer auf mich. Na und? Ich werde mit meinen
Chill-Freunden, viel Gras, den Plattenspielern,
der Musik und dem Fernseher auch ohne das
Schulsprecherteam eine gute Zeit haben. Mit
rasender Geschwindigkeit gehen mir diese
Dinge durch den Kopf, während ich zur Tür
haste. Da soll mal einer sagen, Gras macht
langsam.
Draußen steht Maren mit dem Rest des
Schulsprecherteams. Sie sieht bezaubernd aus.
«Monsen, das kann doch nicht dein Ernst
sein, dass deine Mongosprecher jetzt hier
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eintrudeln! Du bist echt ein Spasti», schreien
die anderen aus dem Wohnzimmer.
Ich führe Maren und die Leute vom
Schulsprecherteam in mein Zimmer und
entschuldige mich hundertmal für die
Unordnung. Das Treffen ist furchtbar. Wir sitzen
in meinem Zimmer, das fast so aussieht wie die
Wohnung von Mark Renton in Trainspotting ,
und ich fühle mich wie im Matheunterricht.
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