Breit - Mein Leben als Kiffer
Die
Stimmung ist angespannt. Von drüben hört
man die Jungs ihre Sprüche über die
«peinlichen Mongosprecher» machen. Mir fallen
immer wieder die Augen zu, während ich mir all
den pseudopädagogischen Kram der anderen
Jungs und Mädels anhören muss.
Sie sind ziemlich sauer, dass ich weder etwas
vorbereitet habe noch jetzt spontan etwas
beisteuern kann. Mich interessiert das im
Moment nicht. Leider ist Hannes noch nicht da,
der das Ganze retten könnte.
Hannes ist der einzige Typ auf unserer
Schule, den ich bewundere. Er ist jenseits von
allem, nicht nur von Gut und Böse. Er ist
unberechenbar und dabei kein bisschen
arrogant. Er liebt das Leben und hasst es
gleichzeitig. Egal ob Hannes mit einem
Schottenrock oder in Arbeiteruniform in die
Schule kommt, er wird nie verarscht. Man
respektiert ihn und lässt ihn alleine. Ob er das
beabsichtigt, weiß ich nicht, aber ich weiß, dass
er den anderen nichts damit beweisen will.
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Hannes ist nicht cool. Er ist das, was man ein
seltenes Exemplar nennt, bei dem man sofort
das Gefühl hat, dass die meisten anderen sein
großes Herz und seinen Charme nicht
verstehen. Er ist für mich ein Code, den nur ich
knacken kann. Wir sitzen unter anderem im
selben Philosophiekurs, und wenn wir da mal
wieder eines unserer berühmten
Streitgespräche führen und ich mich aus der
ersten Reihe zu ihm umdrehe, macht das, was
ich sehe, den ganzen Schultag erträglich: einen
Menschen, der den Lehrern, ebenso wie den
anderen Schülern, signalisiert: Ich gehöre hier
nicht hin. Er drückt damit genau das aus, was
ich empfinde.
Endlich klingelt es. Hannes. Wir bilden sofort
eine Allianz und ziehen uns aus dem wie eine
Unterrichtsstunde anmutenden Gespräch
heraus, um mit Jan, Florian und Markus zu
kiffen.
Maren ruft nach uns, sie wollen
weitermachen. Hannes und ich ignorieren sie
und reden einfach weiter über dies und das. Als
Maren immer energischer ruft, ziehe ich Hannes
schließlich am Ärmel zurück aus der gelben U-
Boot-Atmosphäre in mein reales, chaotisches
Zimmer. Wir stellen einen Dreiundzwanzig-
Punkte-Plan auf. Dreiundzwanzig. Ich muss an
Karl Kraus und den Film Dreiundzwanzig
denken, schiebe den Gedanken aber schnell
beiseite und versuche mich zu konzentrieren.
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Unter anderem sollen die kleineren Schüler
eine aktive Pause bekommen, in der sie
Spielzeug ausleihen können, wir wollen einen
Kopierer für Schüler fordern und uns für
Nachhilfeunterricht an der Schule einsetzen.
Schnell legen wir noch fest, wer sich um was
kümmert – immerhin schaffe ich es trotz des
Breitseins, mit Maren ein Zweierteam zu bilden –,
und bald darauf verabschieden sich die
Schulsprecher, bis auf Hannes. Wir setzen
gemeinsam mit Markus, Jan und Florian unsere
U-Boot-Reise fort und rauchen einen Joint nach
dem anderen. Es ist ein Fest, wieder mal mit
Freunden für so lange Zeit chillen zu können.
Die Arbeit im Schulsprecherteam nimmt mich in
den folgenden Wochen ziemlich in Anspruch.
Anfangs bin ich noch ein wenig genervt von der
Vitalität der anderen, die immerzu Engagement
von mir einfordern und manchmal auch echt
unentspannt sind. Aber mit der Zeit überwiegt
das Gefühl, sich für eine gute Sache
einzusetzen, gebraucht zu werden, etwas
bewegen zu können.
Außerdem werden die Treffen mit Maren
immer kribbelnder. Wir sehen uns oft, und ihre
fröhliche und unbeschwerte Art zieht mich
immer mehr in den Bann. Wir flirten und
diskutieren, wie wir unsere Projekte am besten
durchsetzen können. Da ist so viel Energie in
Maren, die sämtliche Gefühle für Silke in den
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Hintergrund drängt. Und für das Kiffen. Ich kiffe
nicht mehr täglich, drei- bis viermal die Woche
reichen. Maren akzeptiert das, versucht
manchmal, mir ins Gewissen zu reden, aber
wenn ich mit ihr zusammen bin, kiffe ich nur
sehr selten, sodass das nie zum richtigen
Streitpunkt zwischen uns wird. Nach außen
funktioniere ich trotz allem ja noch ganz gut.
In einer Freistunde sitzen Maren und ich
zusammen auf einer Bank im Park und bereiten
die Abschiedsrede für einen Lehrer vor. Die
Sonne scheint, wir lachen viel, sind ausgelassen
und unbeschwert. Irgendwann umarmen wir
uns. Ich beuge mich zu ihr und will sie küssen,
doch sie dreht sich weg. Lächelt verlegen.
«Nicht hier.»
Nur wenige Stunden später liegen wir
knutschend auf dem Bett ihrer Eltern. Den
ganzen restlichen Tag und die Nacht lang. Wir
sind
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