Breit - Mein Leben als Kiffer
oder waren all die Bilder
nur Züge von dir/ das Chaos in Tropfen aus
Welten der Gier/ mein Wort werd ich schätzen
war ja schon immer dabei/ hab das Ziel zwar
verloren bin schlussendlich doch frei/ nein wir
werden uns nicht treffen auch nicht in der
Mensa/ denn ich leb ohne Flagge als reiner
Traumtänzer/ genau wie der Faden tiefrot wie
das Blut/ mit chemischen Farben tätowier ich
die Wut/ denn ich mess mich im Lachen/ kann
Sachen hier machen von denen du nicht mal
träumst/ und merke du ahnst was du gerade
versäumst/ denn du bleibst nicht gelassen und
frisst jeglichen Fraß/ mein Fetisch ist ethisch/
deiner bleibt Glas.
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Hier fühle ich mich aufgehoben. Weil sich
niemand über mein Gelaber, wie die Jungs es
immer nennen, lustig macht oder nur müde
abwinkt, wenn ich mal ernstere Themen
anspreche oder mich am Reimen versuche. Im
Gegenteil, hier nimmt man ernst, was ich sage.
Wir diskutieren viel über Theater und was die
Menschen antreibt. Ich fühle mich als ganzer
Mensch, weil ich wieder einen Sinn im Alltag
entdecke, merke, dass es etwas gibt, das mir
liegt, mich ausfüllt und mir Spaß macht –
jenseits des Kiffens. Die Leute hier kiffen nicht
oder nur sehr selten. Ich mache zwar kein
Geheimnis daraus, dass ich ab und zu einen
durchziehe, aber es spielt hier keine Rolle. Wir
haben andere Themen, die uns verbinden. Hier
beweist man seine Kreativität nicht durch die
Menge des Haschs, das man raucht.
Bis Weihnachten gehe ich jede Woche
mindestens einmal in die Schreibwerkstatt,
dann endet der Kurs – leider. Mit dem
Talentiertesten der Teilnehmer freunde ich mich
in dieser Zeit an. Sven ist der lebende Beweis
dafür, dass man intellektuell sein kann, ohne
ein Streber zu sein. Er liest viel und interessiert
sich für fast alles. Neidlos muss ich
anerkennen, dass er der bessere Texter von
uns beiden ist. Wir gehen mal zusammen ins
Theater und trinken gelegentlich ein Bier in der
Theaterkantine. Die Leute bilden eine
Parallelwelt zu meinem Kifferkreis – auch einen
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Gegenpol. Mit den Jungs treffe ich mich
weiterhin, aber es ist nicht mehr das Einzige,
was ich tue. Manchmal fühle ich mich, als ob ich
mindestens zwei Menschen wäre.
Amon, der kreative Theatermensch.
Amon, der Kiffer.
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«Ein großer grüner Brei» – Die
Psychose
Ein gelbes U-Boot
Ich habe mich für das Schulsprecherteam
aufstellen lassen. Das ist eine der wenigen
Sachen, die mich an der Schule überhaupt noch
interessieren. Das passt zu mir, dem Labersack.
Ich bin der Joker: Vielseitig einsetzbar, die
meiste Zeit nett zu allen und ein wenig auch
der Kasper. Ich gehöre nicht zu den Strebern,
scheine aber für den Rest der Klasse, vor allem
aus Sicht der Mädchen, auch nicht ganz so
heftig drauf zu sein wie Jan und die anderen.
Die Rolle als Vermittler gefällt mir.
Das Team, das gegen unseres antritt, ist
ziemlich schwach, und wir gewinnen die Wahl
haushoch. Am Abend lade ich die anderen aus
meiner Gruppe zu mir nach Hause zum Feiern
ein. Nette Leute, die meisten aus der
Parallelklasse. Besonders Maren. Ich glaube, ich
bin auf dem besten Wege, mich in sie zu
verknallen. Silke ist nach wie vor unerreichbar,
nicht eine einzige Andeutung hat sie gemacht,
dass sie in mir mehr sieht als einen guten
Freund. Sie will mit mir auf Konzerte gehen,
nett telefonieren, und das war’s. Ich habe
letztlich die Hoffnung aufgegeben, sie für mich
zu gewinnen.
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Mit Maren ist das anders. Vom ersten
Moment an war da etwas zwischen uns, auch
von ihrer Seite, ziemlich deutlich sogar. Ich
lade extra viel Arbeit auf mich, um mit ihr in
einer Bearbeitungsgruppe sein zu können oder
gemeinsam mit ihr Gespräche mit Lehrern zu
organisieren.
Wieder führe ich ein Doppelleben: hier der
aktive Schulsprecher, da der breite Dauerkiffer.
Freitag begehen Markus, Jan, Florian und ich
wieder mal ein ausgedehntes Chill-
Wochenende: Meine Mutter ist sogar noch bis
Mittwoch weg, und wir überlegen, ob wir die
sturmfreie Bude nicht gleich bis zur
Wochenmitte zurauchen sollen. Das würde zwar
bedeuten, wieder mal drei Tage nicht zur
Schule zu gehen – aber was soll’s. Die
Entschuldigungsbriefe schreiben wir uns
inzwischen selbst, und das schlechte Gewissen
meldet sich nur kurz. Wir rauchen es einfach
weg.
«Alles klar?», frage ich Florian.
«Alles klar», antwortet er.
Ich finde es gut, dass Florian und ich
inzwischen wenigstens wieder
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