Brenda Joyce
immerhin war die Marine in Sichtweite.
»Wo sind
wir?«, fragte Lorraine.
»Cape
Coast, das ist das Hauptquartier unserer Marine.«
»Machen wir
hier halt?«
»Ich weiß
nicht, mir gegenüber hat Kapitän Courier keine Zwischenstopps erwähnt.«
»Das
Großsegel wird eingeholt.«
Sie sah
nach oben, wo die Segel schnell heruntergezogen wurden. Die Mannschaft
bereitete sich darauf vor, Anker zu setzen. Warum hielten sie hier an?
Sie sah den
Kapitän auf sich zukommen. Die Odyssey war eine Dreimastbark und gehörte
einem Schiffseigner aus Glasgow, Kapitän aber war Courier. Er sprach schlecht
Englisch, aber ihr Französisch war ausgezeichnet, und während der vergangenen
drei Wochen hatte er Elysse mit Geschichten von seinem Leben auf See
unterhalten. Er war charmant, wie die meisten Männer vom Kontinent, aber sie
traute ihm nicht. Deshalb achtete sie sorgfältig darauf, stets höflich und
zurückhaltend zu sein, aber sie bemühte sich, den Kontakt auf ein Minimum zu
beschränken, damit er nicht auf die Idee kam, eine Liaison mit ihr zu beginnen.
Noch immer bestand er darauf, dass sie und Lorraine ihm in seiner Kabine beim
Abendessen Gesellschaft leisteten. Es war unmöglich, das abzulehnen.
Jetzt
lächelte er ihnen zu und sprach auf Französisch. »Wir gehen hier vor Anker,
Madame de Warenne.« Er war blond und sonnengebräunt, und er sah sie
bewundernd an. »Haben Sie bemerkt, wie ruhig das Meer hier ist? Wir nennen
diese Ruhe die roads. Hier kann der Wind uns nicht stören. Aber die
Brandung? Sie ist gefährlich, Madame. Seien Sie froh, dass Sie nicht an Land
gehen müssen.«
Sie sah ihn
an. »Warum halten wir hier, Kapitän?«
»Wir müssen
Trinkwasser aufnehmen«, entgegnete er höflich.
Sie
erschrak. Sie waren erst seit drei Wochen auf See – und dann brauchten sie
schon Wasser? Das war sehr seltsam. »Wie lange werden wir hier bleiben?«
»Nur ein
oder zwei Tage. Ich muss an Land gehen, denn ich habe dort ein paar Dinge zu
erledigen, aber seien Sie versichert, dass wir bald wieder Segel setzen
werden.« Er verbeugte sich.
Elysse
brachte ein Lächeln zustande und griff instinktiv nach der Hand ihrer Zofe.
Lorraine errötete. Sie fand den Kapitän offensichtlich gut aussehend und
charmant. Er salutierte und kehrte ans Ruder zurück. Elysse sah ihm nach. Sie
hätte ihm gern vertraut, konnte es aber nicht.
»Was stimmt
nicht?«, fragte Lorraine im Flüsterton.
Es gab
keinen Grund, die Zofe zu beunruhigen. »Wir werden uns ein wenig mehr den
anderen Schiffen nähern, die hier vor Anker liegen, denke ich, ehe die
restlichen Segel eingeholt werden.«
»Ich kann
nicht glauben, dass wir in Afrika sind«, flüsterte Lorraine
ehrfurchtsvoll.
Elysse
stimmte ihr zu. Sie konnte selbst nicht fassen, dass sie so weit gekommen war –
den ganzen Weg bis zur Küste Westafrikas. Sie war so froh, sich nicht allein
auf der Reise zu befinden.
Zuerst
hatte Matilda darauf bestehen wollen, Elysse zu begleiten. Aber Elysse hatte
angenommen, dass das zu verdächtig gewesen wäre, da sie die Haushälterin
gewöhnlich nie mitnahm, wenn sie irgendwohin fuhr. Sie hatte Reginald gesagt,
dass sie für ein paar Monate nach Irland zurückkehren wollte, und er schien
sich deswegen keine Sorgen zu machen. Dass Lorraine mit ihr reiste, war nichts
Ungewöhnliches, aber Elysse hatte nicht erwartet, dass sie sie die ganze
Strecke bis nach China begleiten würde. Zu ihrer Überraschung aber hatte das schüchterne
Mädchen das unbedingt gewollt. Und Elysse war sehr dankbar für ihre Loyalität.
Denn sie war nicht sicher, ob sie die endlosen Tage und Nächte auf See ohne die
Gesellschaft ihrer Begleiterin überstanden hätte.
Niemand
wusste, wohin sie unterwegs war, nur Ariella.
»Du willst
meinem Bruder nachreisen?« Ariella hatte sie entsetzt angesehen, als
Elysse zu ihr gekommen war, um sich zu verabschieden. »Du willst ihm den ganzen
Weg bis nach China nachfahren?«
»Ja,
Ariella. Ich folge Alexi nach China. Ich habe vor, mit Zähnen und Klauen um
seine Liebe zu kämpfen.«
Daraufhin
hatte Ariella sie ganz fest umarmt. »Es ist eine gefährliche Reise«,
hatte sie gerufen. »Du bist so tapfer! Aber ich würde dasselbe tun.«
»Ich bin
nicht tapfer. Ich bin, ehrlich gesagt, sehr ängstlich.« Elysse ließ sie
schwören, absolutes Stillschweigen zu bewahren.
Ariella
hatte geschworen, mit Tränen in den Augen. »Wir haben dich so lieb. Ich kann es
nicht erwarten, dass ihr, du und Alexi, zu Emilian und mir zurückkehrt.«
Sie
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