Brenda Joyce
sogar auslachen. »Ich habe sechs Jahre damit verbracht, die perfekte
Ehefrau zu spielen«, brachte sie schließlich heraus und schluckte. »Ich
habe sechs Jahre lang so getan, als wäre diese Ehe genau das, was ich mir
gewünscht habe – ich habe dich gelobt und von deinem Erfolg geschwärmt,
Hunderte von Malen, jedem gegenüber, der es hören wollte.«
»Perfektion
und Untreue sind für dich also dasselbe?« Er prostete ihr mit dem Glas zu
und trank es dann mit einem Zug aus. »Ja, alle müssen uns für das perfekte Paar
halten, wo du doch so viele Gentlemen als Gesellschafter hast.«
»Du hast
doch diese Hure in Singapur.«
Seine Miene
verhärtete sich. »Soo Lin ist keine Hure, Elysse, sie ist meine Mätresse. Sie
ist gebildet, elegant, die Tochter eines reichen Händlers und ich mag sie
gern.«
Sie
schüttete ihm ihren Whiskey ins Gesicht. »Dann geh doch zurück nach
Singapur!«
Er hielt
ihren Arm fest, und sie erstarrte. Sofort ließ er sie los. Er wischte sich mit
dem Ärmel über das Gesicht und ging von ihr weg.
Sie
zitterte. Was geschah bloß mit ihr? Sie hatte gerade Alexi ihren Drink ins
Gesicht gegossen.
Er mochte
die andere Frau. So etwas hatte sie nie erwartet. Sie presste beide Hände auf
ihr Herz.
Dann drehte
er sich abrupt herum und sah ihr in die Augen.
Sie ließ
die Hände sinken und bemühte sich um eine ausdruckslose Miene. »Keiner von uns
ist treu. Aber ich bin immer loyal gewesen.«
»Es tut mir
leid. Das über Soo Lin hätte ich nicht sagen dürfen.« Er wirkte
angespannt.
Sie zuckte
die Achseln. »Ich mag Blair sehr gern, daher sind wir wohl quitt.«
Seine Miene
verfinsterte sich. »Das ist nicht zu übersehen. Es ist offensichtlich, dass ihr
nicht nur ein Liebespaar seid. Ihr seid Freunde – so wie wir es einst
waren.«
Nein,
dachte sie. Blair ist nicht der Freund, der Alexi einst war, vor so langer
Zeit. Als Junge war er immer da gewesen, um sie zu beschützen – er war der
Anker gewesen in ihrem jungen Leben. Doch wenn sie es zuließ, konnte Blair
genau das werden. Aber warum schmerzte sie diese Vorstellung? »Wenn du es
sagst, hört es sich an, als wäre es schlimmer als eine Liebesaffäre.«
Er ging
zurück zur Bar und schenkte sich ein drittes Mal ein. Ohne zu fragen, füllte er
auch ihr Glas wieder auf. Dann starrte er eine Zeit lang auf seinen Whiskey,
ohne zu trinken.
Das gab
Elysse einen Moment Zeit zum Nachdenken. Sein Geständnis in Bezug auf seine
Mätresse war abscheulich gewesen. Aber dass er sie vor dem Altar hatte stehen
lassen, war weitaus schlimmer gewesen – und sie hatte es dennoch überlebt. Sie
hatte sechs Jahre Klatsch und Betrug durchgestanden, und sie würde auch aushalten,
dass er etwas für eine andere Frau empfand. Sie musste an die Gegenwart denken,
nicht an die Vergangenheit – und nicht an die Zukunft. So konnten sie nicht
weitermachen. Wenn sie sich jetzt klug und umsichtig verhielt, dann könnte sie
vielleicht den Ruf ihrer Ehe retten, trotz der Ereignisse des vergangenen
Abends. Das musste ihr einziges Ziel sein.
Er sah sie
an und hob sein Glas an die Brust. »Du solltest hier nicht wohnen, Elysse. Das
ist Wahnsinn. Daraus kann nichts Gutes entstehen. Am Ende werden wir einander
nur wehtun.«
Sie war
bereits verletzt. »Solange dir dieses Haus gehört, Alexi, werde ich hier wohnen
– um meinen Stolz zu wahren.«
Er sah sie
an. Seine Miene war finster und abweisend. »In China dreht sich alles darum,
das Gesicht zu wahren.«
Ein Schmerz
durchzuckte sie. »Hast du das von Soo Lin gelernt?«
Er
antwortete nicht. Er ließ den Blick über ihr Gesicht gleiten, und einen Moment
lang starrte er auf ihren Mund – als erinnerte er sich an ihren Kuss.
Jetzt war
er nicht mehr wütend.
Elysse
trank das Glas in einem Zug leer, so wie er es getan hatte. Sie hatte noch nie
ein ganzes Glas Whiskey auf einmal getrunken, und musste
ein Husten unterdrücken. Sie wartete, bis das Getränk ihre Kehle
hinuntergelaufen war und das Brennen nachließ, ehe sie sprach. »Das Leben hier
ist nicht gerade angenehm.« Sie hoffte, sie hatte
seinen direkten, abschätzigen Blick missdeutet. »Meine Wohnung liegt nur
zwanzig Minuten entfernt von den Theatern und Geschäften. Trotzdem bin ich
entschlossen, weiterhin so zu tun, als führten wir eine gute Ehe.«
Er senkte
die Lider, und sie konnte seine Augen nicht mehr sehen. Hörte er ihr nun
endlich zu? »Ich gebe zu, so zu leben und ständig zu streiten ist schrecklich
unangenehm, sogar verletzend. Einst, vor
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