Brenda Joyce
langer
Zeit, als wir noch Kinder waren, waren wir Freunde.« Ihre Blicke trafen
sich, und sie war die Erste, die zur Seite sah. »Das scheint in einem anderen
Leben gewesen zu sein, nicht wahr?«
»Worauf
willst du hinaus?«, fragte er tonlos.
»Du
solltest die Stadt verlassen, Alexi. Ich weiß, dass du erst im Sommer wieder
nach China fährst, aber du könntest nach Dublin gehen oder nach Windhaven oder
sogar nach Frankreich.«
»Nein.«
Sie
zitterte. Aber der Whiskey hatte eine unglaublich beruhigende Wirkung – es
war, als könnte sie endlich klar und vernünftig denken.
»Dann müssen wir mit dem Theater weitermachen.« Es wäre so
einfach, dachte sie, wenn er nur meinen Vorschlag von der vergangenen Nacht
befolgen würde. »Warum ziehst du nicht in Erwägung,
mein hingebungsvoller Ehemann zu sein, nur für ein paar Wochen? Du
kannst deine Geliebten behalten. Du musst dabei nur diskret sein. Wir werden
gemeinsam ausgehen, Händchen halten, einander
zulächeln. Danach kannst du wieder zu Louisa Weldon zurückkehren, oder mit wem
auch immer du zusammen sein willst.«
»Während du
zu Thomas Blair gehst?« Er sprach sehr, sehr leise.
Sie wusste,
sie durfte darauf nicht eingehen. Und doch errötete sie. »Es tut mir leid, dass
ich so dumm war, dich erpressen zu wollen. Ich entschuldige mich dafür.«
Er nippte
an seinem Whiskey. Als er aufsah, hatte er etwas Raubtierhaftes an sich. »Hat
dir schon einmal jemand gesagt, dass es sehr viel wirkungsvoller ist, wenn du
schmeichelst, als wenn du einem Mann Whiskey ins Gesicht schüttest?«
»Auch das
tut mir leid.« Sie meinte es ernst. Ihr Benehmen war unglaublich gewesen.
»Ich wäre
mehr als glücklich, den Ehemann spielen zu dürfen, Elysse, das sagte ich schon
gestern.« Langsam lächelte er sie an.
Es dauerte
einen Moment, ehe sie begriff, was er damit meinte. Wenn sie ihn in ihr Bett
nahm, dann würde er seine Rolle spielen. Ihr Herz schlug schneller.
Ihre eigene
Reaktion auf seine Worte und seinen glühenden Blick erschreckte sie. Sofort
wurde ihr heiß, und all ihre Sinne waren hellwach.
»Schließlich
bin ich mit meiner Frau verheiratet und muss mit ihr zusammenleben, warum also
sollte ich dann nicht auch meine ehelichen Rechte genießen?« Seine Augen
funkelten.
Er würde
ein großartiger Liebhaber sein, das wusste sie. Ein Teil von ihr sehnte sich
verzweifelt danach, sein unmögliches Angebot anzunehmen. Aber vermutlich war
ihr Verlangen nur eine Folge davon, dass es ihr trotz ihres Alters immer noch
an Erfahrung mangelte – und nichts sonst! »Diese Ehe ist ein schrecklicher
Schwindel«, hörte sie sich selbst flüstern. »Und du willst nicht
verheiratet sein, das hast du selbst gesagt.«
»Ich könnte
vielleicht anders empfinden, wenn ich deine Gunst genießen würde. Schließlich
habe ich überhaupt keinen Vorteil durch diese Ehe.« Er trank seinen
Whiskey aus und stellte das Glas ab. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, ehe er
wieder sprach. »Kein Mann lässt sich gern in eine Ehe locken, Elysse.«
Sie
erschrak. Es dauerte einen Moment, ehe sie diesen plötzlichen Themenwechsel
verarbeiten konnte. Sie fürchtete sich davor, so ein gefährliches Gespräch zu
beginnen – auch wenn sie wusste, dass sie eines Tages über die Vergangenheit
sprechen mussten. »Du hast mich geheiratet, um mich zu beschützen«, sagte
sie vorsichtig. »Ich weiß nicht, ob ich mich jemals bei dir dafür bedankt habe.«
Seine Miene
war unergründlich.
Elysse
versuchte, nicht an die Erinnerungen zu denken, die in ihr Bewusstsein
drängten. War er deshalb wütend auf sie? »Es war keine Falle, Alexi.«
»Es gab
aber keine andere Wahl. Dadurch wurde es zur Falle.«
Sie holte tief Luft.
»Bleibst du deswegen immer fort? Bist du deshalb so zornig auf mich?«
»Es war
meine Pflicht, dich zu beschützen.« Er holte tief Luft. »Ich habe dir
etwas versprochen, erinnerst du dich?«
Es
erschreckte sie, dass er sich an jenen Tag vor so langer Zeit auf Errol Castle
in Irland erinnerte. Aber bevor sie antworten konnte, sagte er schroff:
»Unseretwegen ist ein Mann gestorben – ein Mann, der mein Freund war.«
Sie schlang
sich die Arme um die Taille, und ihre Blicke begegneten sich. Sie sah wieder
die Bilder vor sich – Alexi, der William Montgomery von ihr wegzog; der tote
Navigator in seinen Armen; Alexi, der sie voller Entsetzen ansah, der sie in
der Bibliothek in seinen Armen hielt und wissen wollte, ob sie verletzt war,
ob es ihr gut ging ...
Damals
hatte er sie
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