Brenda Joyce
sie wohl in einer Sackgasse
angelangt. Und sie konnte dem Mann nicht einmal ihre Visitenkarte geben, da ihm
dann klar werden würde, dass sie ihn angelogen hatte – niemand würde
glauben, dass Carter eine Cousine hatte, die auf der 5th Avenue lebte. »Mein
Name ist Francesca Cahill. Die Polizei weiß, wo ich zu finden bin.«
Inspector Murphy fügte hinzu:
»Ich bin über das Polizeipräsidium in der Mullberry Street zu erreichen.«
Der Mann
ignorierte ihn. Stattdessen griffen er und sein Kollege nach dem Fass und
hievten es auf die Ladefläche des Fuhrwerks.
Bragg berührte Francesca am
Arm, und sie betraten das große, schwach beleuchtete Lagerhaus, ein riesiger
Raum voller Kisten und Ballen. Sie verharrten für einen Moment, um sich
umzuschauen und entdeckten schließlich am Ende des Hauptgangs einen kleinen,
abgeteilten Raum, der offenbar als Büro diente und in dem ein Mann über einige
Bücher gebeugt saß. Sie machten sich auf den Weg dorthin.
»Der Kerl
hat gelogen«, sagte Joel.
Francesca
sah ihn neugierig an.
»Wie kommst du darauf?«, fragte
Bragg und warf dem Jungen einen abweisenden Blick zu.
»Ist so'n Gefühl«, erklärte
Joel, wobei er seine Worte ausschließlich an Francesca richtete.
Als die
vier das Büro erreicht hatten, hatte der Mann sie bereits bemerkt und war
aufgestanden. Er war in Hemdsärmeln und trug eine Kappe auf dem Kopf. »Was kann
ich für Sie tun?«, fragte er.
»Sind Sie
hier der Aufseher?«, fragte Bragg.
»Ich bin der Besitzer, John
Pauley«, sagte der Mann und streckte die Hand aus.
Bragg ergriff sie. »Bragg,
Polizei-Commissioner«, erklärte er. Pauley riss überrascht die Augen auf. »Das
hier sind Inspector Murphy, Miss Cahill und Joel«, stellte Bragg die anderen
vor.
»Wie kann ich Ihnen helfen,
Commissioner?«, fragte Pauley. »Ich bin auf der Suche nach einem Mann, der für
Sie arbeitet – oder es zumindest bis vor kurzem getan hat. Sein Name ist Sam
Carter. Wissen Sie, wo er ist?«
Pauley machte einen verwirrten
Eindruck, und Francesca glaubte schon, dass er den Mann gar nicht kannte, doch
dann sagte er: »Sam Carter ist draußen und belädt gerade ein Fuhrwerk,
Commissioner.«
Francesca und Bragg blickten
einander an, machten auf dem Absatz kehrt und liefen los.
Aber als sie im Hof ankamen,
war Sam Carter bereits verschwunden.
Francesca saß neben Joel und starrte nachdenklich aus dem Fenster
der Mietdroschke, die in nördlicher Richtung auf der Madison Avenue geduldig
hinter zwei anderen Mietdroschken herzockelte, während zu ihrer Rechten eine
Straßenbahn vorüberfuhr. Sie waren auf dem Weg zu Lydia Stuart, während Bragg
mit Murphy zum Präsidium zurückgefahren war. Francesca fragte sich, ob Carter
wohl in diesem Moment über sie lachte. Er war wirklich äußerst clever gewesen.
Francesca spürte, wie sie vor Zorn rot wurde.
Joel tätschelte ihr Knie.
»Keine Sorge, Miss, wir werden diesen Schurken schon wiederfinden.«
»Das will ich hoffen. Aber
leider ist er jetzt im Vorteil, denn er weiß, dass wir auf der Suche nach ihm
sind.« Ein Gefühl der Beklommenheit überkam sie. Wenn Carter unschuldig war,
warum rannte er dann vor ihnen davon? Nun gut, sie wusste sehr wohl, dass die meisten Einwohner der Stadt, ob sie nun arm
oder reich waren, die Polizei nicht mochten, aber eine solche Vorstellung
hinzulegen! Sie hätte nie geglaubt, dass sie bereits mit dem Mann sprachen, den
sie suchten.
Der Mann
hatte offenbar Nerven wie Drahtseile.
Das
Gleiche konnte man auch vom Mörder behaupten, der Kathleen und Mary erstochen
hatte. Er hatte seine Opfer kaltblütig ermordet und ihnen anschließend die Hände
wie zum Gebet gefaltet und seine Unterschrift auf ihren Kehlen hinterlassen.
Inzwischen
hatte Francesca erfahren, dass man auch Kathleen mit Schnee bedeckt gefunden
hatte, allerdings in einer Gasse, die unweit von ihrer Wohnung lag.
Francesca seufzte. Als ihr
Blick auf die Fußgänger fiel, die auf dem Bürgersteig entlanggingen, meinte sie
plötzlich, eine Frau entdeckt zu haben, die sie kannte. Sie blinzelte, schaute
noch einmal genauer hin und setzte sich dann plötzlich kerzengerade auf.
Es war Rose
Jones, die dort mit einer Einkaufstasche am Arm die Straße entlangging. Sie
trug Mantel und Hut aus burgunderfarbener Wolle und hatte sich eine Pelzstola
in derselben Farbe um den Hals geschlungen. Zwei Herren, an denen sie soeben
vorbeispaziert war, drehten sich neugierig nach ihr um.
Francesca
und Joel befanden sich nur zwei Häuserblöcke von
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