Brenda Joyce
aber
dagegen. Möglicherweise würde er dafür nicht die gleiche Begeisterung
aufbringen wie sie selbst.
»Ist das
ein Versprechen?«
»Ja.«
Er nickte, und plötzlich
ergriff er ihre Hand und presste sie an seine Lippen.
Francesca
konnte kaum glauben, was dieser keusche Kuss mit ihr anzurichten vermochte. Sie
spürte ihn wie eine Hitzewelle vom Kopf bis zu den Zehenspitzen durch ihren
Körper strömen. In diesem Augenblick wurde ihr klar, dass sie es auf Dauer
nicht würde ertragen können, diesen Mann nicht besitzen zu dürfen. Sie liebte
ihn, und er liebte sie. Es war eine Tragödie, dass er mit dieser schrecklichen
Frau verheiratet war, aber sollte sie das davon abhalten, miteinander glücklich
zu werden?
»Was
ist?«, fragte er.
Sie entzog
ihm ihre Hand und trat einen Schritt zurück. Der Gedanke, der ihr soeben durch
den Kopf gegangen war, machte sie völlig fassungslos. »Gar nichts. Alles in Ordnung«,
flüsterte sie.
So etwas
konnte sie doch unmöglich denken!
Bragg glaubte ihr ganz
offensichtlich nicht. Er zog die Augenbrauen skeptisch in die Höhe.
Francesca
fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und lächelte. »Wie geht es den
Mädchen?«, zwang sie sich zu fragen.
»Keine
Ahnung. Ich bin heute Morgen um halb sieben aus dem Haus gegangen, und da haben
sie noch geschlafen.« Seine Augen funkelten. »Ebenso wie Peter, der
normalerweise immer um fünf aufsteht.«
Francesca beschlich das ungute
Gefühl, dass in der Nacht zuvor in Haus Nummer 11 am Madison Square
möglicherweise nicht alles so reibungslos über die Bühne gegangen war, wie sie
sich erhofft hatte.
Bragg schritt an ihr vorbei und
nahm seinen braunen Mantel vom Wandhaken, ließ aber seinen Hut auf dem Haken daneben
hängen. »Sollen wir?«
»Wohin gehen wir denn?«, fragte
sie erwartungsvoll.
»Machen wir uns auf die Suche nach
Sam Carter.«
Kapitel
7
SAMSTAG,
8. FEBRUAR 1902 – MITTAG
Das Lagerhaus, in dem Sam Carter arbeitete, befand sich auf
der West Side, genauer gesagt, auf der 21st Street. Bragg und Francesca fuhren
mit einer Mietdroschke dorthin, da diese weitaus weniger auffällig war als
Braggs Automobil. Inspector Murphy begleitete sie, und Francesca erfuhr, dass
er der verantwortliche Kriminalbeamte für diesen Fall war.
Am Giebel
des Lagerhauses mit dem flach abfallenden, schiefen Dach war ein großes Schild
befestigt, auf dem PAULEY & SÖHNE zu lesen stand. Als sie aus der Droschke
stiegen, wurde gerade auf dem Hof ein großes Fuhrwerk mit Fässern beladen.
Gefolgt von Murphy und Joel
gingen Francesca und Bragg auf die weit geöffnete Tür des Lagerhauses zu und
blieben bei den beiden Männern stehen, die das Fuhrwerk beluden. Bragg warf
Murphy einen Blick zu.
Dieser
trat vor und sagte: »Mein Name ist Inspector Murphy. Wissen Sie, wo ich einen
gewissen Sam Carter finden kann?« Die beiden Männer stellten das Fass, das sie
gerade hatten hochheben wollen, wieder auf dem Boden ab. Einer von ihnen
stemmte seine Fäuste in die Hüften. »Inspector? Also 'n Polizist?«
Murphy nickte. »Ich muss Sam
Carter finden. Man hat mir gesagt, dass er hier arbeitet«, sagte er.
Die beiden Männer sahen sich
an. »Nie von ihm gehört«, versicherten sie.
Francesca
spürte, wie Ungeduld in ihr aufstieg.
»Wo ist der
Aufseher?«, fragte Murphy.
»Das Büro ist da hinten«, sagte
der eine Mann und spuckte ein Häufchen Kautabak aus, das nicht weit von Murphys
auf Hochglanz polierten Schnürschuhen landete. Dann sah er Francesca an und
sagte: »Tut mir Leid, Ma'am.«
Francesca warf Bragg einen
flehenden Blick zu und sah, dass er kaum merklich nickte.
»Sir? Ich
bin Sams Cousine. Er ist der einzige Verwandte, den ich in der ganzen Stadt
habe, und ich bin gerade erst hierher gezogen. Ich hatte so gehofft, dass wir
ihn hier finden würden.«
Der Mann
sah sie an. Er war klein und rundlich, hatte einen mächtigen Brustkorb, der
selbst an ein Fass erinnerte, riesige, kräftige Arme und braunes Haar, das
schon ein wenig schütter war. Trotz der Kälte trug er lediglich ein kariertes
Flanellhemd, unter dem ein Unterhemd hervorschaute. »Dann ist das wohl heute
nich Ihr Glückstag. Carter arbeitet hier nich mehr. Er ist schon seit Monaten
verschwunden, und keiner hat ihn mehr gesehen.«
»Ach,
wirklich?«, fragte Francesca.
»Ja, so ist das. Aber wenn er
noch mal vorbeischauen sollte oder ich ihn sehe, dann werd ich ihm sagen, dass
seine Cousine nach ihm sucht.«
»Das wäre
sehr freundlich«, erwiderte Francesca. Damit waren
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