Brenda Joyce
kein Zweifel daran, dass eine junge Dame wie Sie, die eine solche
Vorliebe dafür hat, sich in Gefahr zu bringen, auf gar keinen Fall eine Waffe
bei sich tragen sollte.«
Francesca
war bestürzt. An der Tür wandte sie sich ihm noch einmal zu. »Na schön. Nur zu.
Verraten Sie unsere Freundschaft.«
Er zögerte. »Glauben Sie
wirklich, dass es ein Verrat an unserer Freundschaft wäre, wenn ich Bragg von
der Waffe erzählen würde?«
»Ja,
Calder, genau das wäre es.«
In seiner Wange begann ein
kleiner Muskel zu zucken, und er blickte seufzend zur Decke.
Sie war überrascht. Sollte er
wirklich so leicht zu manipulieren sein? Ein erfreutes Lächeln begann sich auf
ihrem Gesicht auszubreiten, doch sie fing sich rasch wieder und setzte eine
ernste Miene auf.
Er schaute
sie traurig an. »Nun gut. Aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie die Waffe
zu Hause verstecken werden. Ich werde Bragg nichts erzählen. Es soll unser
Geheimnis sein.«
»Versprochen«,
erwiderte sie, obwohl sie ihn eigentlich gar nicht anlügen wollte, aber er
benahm sich nun einmal so uneinsichtig. Sie hielt ihm die Hand hin.
»Abgemacht?«
Er ergriff ihre Hand und küsste
ihren Handrücken, und da es nicht bloß ein angedeuteter Kuss war, spürte sie
den Druck seiner Lippen auf ihrer Haut. Damit hatte sie nicht gerechnet, und ein
Schauer durchlief ihren Körper.
»Abgemacht«,
sagte er.
Kapitel
8
SAMSTAG,
8. FEBRUAR 1902 – 19 UHR
»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Bragg.
Im Foyer
wurde es immer voller. Francesca trat näher an Bragg heran. Es fiel ihr schwer,
ihn nicht die ganze Zeit über anzustarren, denn in der weißen Smokingjacke, die
einen so wundervollen Kontrast zu seiner olivfarbenen Haut und dem golden
schimmernden Haar darstellte, sah er einfach umwerfend aus. Die Nähte seiner
schwarzen Hose waren mit einer Satinpaspel abgesetzt, und er trug einen dunklen
Siegelring.
»Einen
Sherry, bitte«, erwiderte sie. Sie konnte nur hoffen, dass sie weitaus
gelassener wirkte, als sie es in Wahrheit war.
Sie hatte
Schmetterlinge im Bauch. Während sie auf Bragg gewartet hatte, um gemeinsam mit
ihm zum Theater zu fahren, war sie sich wie ein Schulmädchen vorgekommen, das
auf seine Verabredung für den samstäglichen Tanzabend der Kirchengemeinde
wartet. Glücklicherweise waren ihre Eltern bereits vor ihr zu einer anderen
Veranstaltung aufgebrochen, so dass abgesehen von den Dienstboten niemand mitbekommen
hatte, wie Francesca ihr Aussehen einige Male in den Spiegeln der Eingangshalle
überprüft hatte.
Bragg und
sie waren übereingekommen, im Foyer auf die anderen zu warten, um dann gemeinsam
die Plätze einzunehmen. Evan hatte sich pflichtbewusst und ohne große Begeisterung auf den Weg gemacht, um Sarah und ihre Cousine
abzuholen. Francesca hatte ihm gar nicht erst das Versprechen abgenommen, sich
wie ein Gentleman zu benehmen, da sie wusste, dass seine Manieren tadellos
sein würden, ganz gleich, wie wenig es ihn interessierte, einen Abend mit
seiner Verlobten zu verbringen.
Sie
beobachtete, wie Bragg sich über die lange, glänzende Bar aus Eichenholz
lehnte, wo bereits mehrere Theaterbesucher an ihren mit Wein oder Cocktails
gefüllten Gläsern nippten. Sie konnte nicht umhin, Bragg mit seinem Halbbruder
zu vergleichen. Sie waren sich in mancherlei Hinsicht so ähnlich: der
olivfarbene Teint, dieselbe Ausstrahlung von Autorität und Macht, die
unverhohlene Männlichkeit. Und doch waren sie von ihrem Wesen her verschieden
wie Tag und Nacht, was nicht zuletzt an Harts düsteren Ansichten lag. Francesca
war froh, dass Bragg zu den Optimisten gehörte – andernfalls hätte sie gewiss
anders für ihn empfunden.
Plötzlich
warf er ihr über die Schulter hinweg einen ernsten Blick zu und erwischte sie
prompt dabei, wie sie ihn anstarrte. Francesca errötete.
Sie dachte
schon jetzt an den Moment, wenn er sie später am Abend nach Hause bringen
würde. Als sie sich vorstellte, wie er sie in die Arme nahm und küsste, wandte
sich Francesca verlegen ab. Sie wusste, dass sie sich solchen Gedanken nicht
hingeben sollte, da ihr gewiss eine große Enttäuschung bevorstand, weil er
sich anständig benehmen und sie nicht anrühren würde.
Ein Seufzer
entschlüpfte ihren Lippen.
In diesem Moment reichte er ihr
ein Glas Sherry. »Was ist denn los?«
Sie brachte ein Lächeln
zustande. »Ach, nichts. Ich bin einfach froh, dass Sie ein Optimist sind,
Bragg.«
Das schien ihn zu amüsieren.
»Wie kommen Sie denn jetzt darauf?«
»Ich
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