Brenda Joyce
sehen zu dürfen. Was soll ich ihr
sagen?«
Hart erstarrte. Verführe sie. Das ist deine
Chance. Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, dann hörte er
sich selbst sagen: »Schicken Sie sie fort. Erzählen Sie ihr, was Sie wollen.«
Alfred
zögerte.
Hart wurde fuchsteufelswild.
»Tun Sie es, Alfred. Sofort.«
»Jawohl, Sir. Bevor ich gehe,
gibt es noch irgendetwas, das ich ...«
»Nein.« Hart schlug ihm die Tür vor der Nase zu und lehnte sich
dann schwer atmend dagegen.
Du
Narr. Das war deine große Chance.
Hart lief wieder mit großen Schritten durch das Zimmer, als könne
er auf diese Weise der hinterhältigen Stimme in seinem Kopf entkommen. Er goss
sich einen weiteren Scotch ein und stürzte ihn in einem Zug hinunter.
Dann
schenkte er sich, nun ruhiger geworden, einen dritten Drink ein, den er
langsamer trank. Der Alkohol erfüllte seinen Zweck: Er brachte seine dunkle
Seite zum Schweigen. »Calder?«
Er fuhr herum – und sah auf der Schwelle
seines Schlafzimmers Francesca Cahill stehen, die ihn vorsichtig anlächelte. Und
hier kommt deine einmalige Gelegenheit, sagte die Stimme lachend.
Hart begann zu zittern. »Francesca, du solltest nicht hier sein.
Nicht jetzt. Nicht heute Abend.«
Sie lächelte entschlossen. »Ich werde aber nicht wieder gehen«,
verkündete sie.
Kapitel 16
SONNTAG, 30. MÄRZ 1902 – 19:00 UHR
»Du bist überaus dreist.« Unbeirrt lächelnd entgegnete
Francesca: »Jawohl, das bin ich.« Sie blickte sich verstohlen um, gab sich
Mühe, von dem prunkvollen Schlafzimmer nicht allzu überwältigt zu sein. Und
insbesondere versuchte sie, nicht auf das Bett zu starren, das sie beim
Betreten des Raumes natürlich sofort bemerkt hatte – gleich nachdem ihr Blick
auf Hart gefallen war. Das Bett war so groß, wie sie es sich vorgestellt
hatte.
»Ich gebe dir noch eine Chance, wieder zu gehen«, murmelte Hart.
Francesca fuhr zusammen – sein Tonfall war sanft und sinnlich,
verführerisch. Sie war gekommen, um mit ihm über den Nachmittag im Krankenhaus
zu sprechen, und hatte mit Eifersucht und Wut gerechnet, aber nicht mit so
etwas. Sie atmete tief durch. »Wir müssen miteinander sprechen.«
Er zog die Augenbrauen hoch und bedachte sie mit einem süffisanten
Lächeln. »In meinen Privaträumen?«
»Eines Tages werden das hier auch meine Räumlichkeiten sein, nicht
wahr?« Bei dieser Vorstellung schlug ihr Herz schneller. Sie gab ihren
Widerstand auf, wandte sich um und starrte das Bett an. »Ich traue mich kaum zu
fragen. Haben darin Könige geschlafen?«
»Und Prinzessinnen und Herzöge – und zweifellos auch ihre
Geliebten.«
Ihr Blick glitt wieder zu seinem Gesicht. Er starrte sie ohne die
Spur eines Lächelns an. »Geht es dir gut, Calder?«
»Wieso sollte es mir nicht gut gehen?«, gab er
zurück.
Sie standen an entgegengesetzten Enden des riesigen Raumes. Harts
Verhalten kam Francesca eigenartig vor – fast so, als spiele er ein Spiel mit
ihr. Während sie auf ihn zuging, dachte sie wieder an die Szene im Krankenhaus,
als sie Rick getröstet und Calder sie dabei beobachtet hatte. »Bist du böse auf
mich?«, fragte sie unsicher. Trotz der immensen Größe des Raumes war ihr
überdeutlich bewusst, dass sie sich mit ihm allein in seinem Schlafzimmer
befand. Beim Näherkommen bemerkte sie, wie derangiert er aussah: Mehrere Knöpfe
an seinem Hemd standen offen, so dass ein Stück seiner muskulösen, schwarz
behaarten Brust zu sehen war. Er hatte die Ärmel bis zu den Ellenbogen
hochgekrempelt. Seine Unterarme waren mit feineren, ebenfalls schwarzen
Härchen bedeckt, und Francesca konnte Sehnen, Knochen, Muskeln erkennen.
Allerdings sah sie diesen Anblick nicht zum ersten Mal.
»Warum sollte ich böse auf dich sein?«, fragte Hart leise, gedehnt.
Francesca blieb stehen und sah ihn an, unfähig, den Blick von ihm
zu lösen. Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. »Ich wollte dir
alles erklären – aber wie ich sehe, ist das nicht nötig.«
Er wandte sich ab und ging zu der Bar an der Wand hinüber. Während
er zwei Gläser füllte, sah Francesca in dem Spiegel über der Theke sein
gleichmütiges Gesicht, das nichts darüber verriet, wie es in seinem Inneren
aussah. Es war seltsam, ihn so milde gestimmt zu erleben. Und es erschien ihr
einfach nicht richtig. Sie war ein wenig beunruhigt.
Andererseits war es ein herrliches Gefühl,
ganz allein mit ihm in seinem Schlafzimmer zu sein. Ein kleines Lächeln stahl
sich auf ihr Gesicht, und sie
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