Brenda Joyce
er es voller Zorn an.
Anstelle der Französin in ihrem Korsett und dem Petticoat sah er
Francesca in Rick Braggs Armen, ihr schönes Gesicht so mitfühlend und voller
Liebe.
Er stieß einen Schrei aus und schleuderte sein
Whiskeyglas gegen den Kaminsims, wo es zersplitterte. Dann begann Hart im
Zimmer auf und ab zu laufen. Er musste es wohl endlich einsehen: Francesca war
immer noch in Rick verliebt. Sie würde nie aufhören, ihn zu lieben, denn sie
war so stur, wie eine Frau nur sein konnte – eine der Eigenschaften, die er an
ihr so reizend fand. Sie gab einfach niemals auf.
Aber wenn es dabei um seinen Halbbruder ging, war es nicht mehr
reizend, sondern nur noch lästig und ärgerlich. Es brachte ihn zur Raserei.
Er rief sich in Erinnerung, dass sie für eine Frau, die in einen
anderen Mann verliebt war, überaus leidenschaftlich war, wenn sie in seinen,
Harts, Armen lag.
Er war ein Mann von Welt. In dieser einen Hinsicht unterschied
sie sich ausnahmsweise einmal nicht von den meisten Männern und Frauen: Man
wählte den gesellschaftlich geeigneten Partner für die Ehe und den sexuell
passenden Partner für eine Affäre. Francesca mochte einmal den Wunsch gehabt
haben, Bragg zu heiraten, aber mit ihm, Hart, wollte sie ins Bett.
Er ließ sich auf ein rubinrotes Sofa sinken. Sein Kopf hämmerte
unerträglich, und die Bilder von seinem schlimmsten Rivalen in den Armen der
Frau, die er selbst zu heiraten gedachte, gingen ihm einfach nicht aus dem
Sinn.
Mit einem Ruck wandte er den Kopf erneut zu dem Porträt um.
Andere Bilder von Francesca geisterten nun durch seinen Kopf, schoben sich vor
das verführerische Modell: Er sah sie in ihrem umwerfenden roten Kleid vor
sich, das Haar offen um die Schultern wallend, und ihre Augen hatten einen
feuchten Schimmer und einen sanften Ausdruck von seinen Küssen. Sie war das
einzig Gute in diesem hässlichen, niederen Theater, das sich Leben nannte. Sie
war wie die Sonne, erwärmte alles mit ihren Blicken – sogar seine eigene Kälte
durchdrang sie. Er hatte in den vergangenen zwei Monaten, seit sie sich zum
ersten Mal begegnet waren, mehr gelächelt als in seinem ganzen bisherigen
Leben. Er wusste, dass sie gut füreinander waren; niemals hatte er den
geringsten Zweifel daran gehegt, dass ihre Ehe in jeder Hinsicht interessant
werden würde.
Er hatte sich darauf gefreut. Er, Calder Hart, der eingefleischte
Junggeselle, hatte es kaum erwarten können, Francesca Cahill, die Kriminalistin aus Leidenschaft, zu ehelichen.
Ein anderes Bild stieg in ihm auf: Francesca und Bragg, die
einander in den Armen lagen, nun jedoch mit einem herzlichen Lächeln statt der
verzweifelten Blicke. Wie oft hatte er sie schon dabei beobachtet, wie sie
einander ansahen? Und wie oft hatte er sich dabei wie ein Eindringling, ein
Außenseiter gefühlt? Zum Teufel, dabei war er schließlich ihr Verlobter! Bragg
war jetzt der Außenseiter! Hart schloss die Augen, presste die Lider fest
zusammen.
Doch er war ein kluger Mann, der sich nicht in bequeme Ausreden
flüchtete. Er selbst war hier der Außenseiter, nicht Bragg, und daran würde
sich nie etwas ändern, auch nach ihrer Hochzeit nicht. Schon sein ganzes Leben
lang war es so gewesen: Er hatte seinem älteren Halbbruder nie das Wasser
reichen können, und niemand würde ihn an Braggs Stelle akzeptieren, nicht
einmal Francesca.
Er öffnete die Augen, starrte das Porträt an und verfluchte sich
selbst, weil er so ein Narr war.
Er musste sich der Wahrheit stellen. Leigh Anne stand an der
Schwelle des Todes.
Mochten doch alle anderen optimistisch sein. Er hatte mit Rourke
und Barnes gesprochen, ehe er ihr Krankenzimmer betreten hatte, und er kannte
die Wahrheit. Sie war keinesfalls über den Berg. Zurzeit täuschten die Ärzte
mit Beschönigungen darüber hinweg, wie ernst ihr Zustand wirklich war. Sie
hatte sich einer schweren Operation am Bein unterziehen müssen, hatte sehr
viel Blut verloren und kämpfte nun mit einer Infektion. Auch wenn ihr Zustand
gegenwärtig stabil war, konnte sich das jederzeit ändern. Sie konnte ins Koma
fallen, womöglich schon morgen tot sein.
Hart erhob sich und atmete tief ein. Seine Schläfen pochten noch
immer. Leigh Anne würde womöglich sterben. Dr. Barnes hatte sich
geweigert, ihm zu sagen, wie ihre Chancen standen. Rourke schätzte sie auf
fünfzig zu fünfzig. Wem versuchte er hier etwas vorzumachen? Francesca mochte
noch so versessen darauf sein, mit ihm ins Bett zu steigen – sobald Leigh Anne
tot
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