Brenda Joyce
Joel auch sicher zu Hause ankommt. Wir haben den Fall
der kleinen Emily O'Hare übernommen«, fügte sie hinzu.
»Gott sei Dank«, flüsterte Maggie und Tränen traten ihr in die
Augen. »Da bin ich aber froh, denn ich weiß, dass Sie sie gesund und
wohlbehalten wiederfinden werden.«
Francesca war sich bei dem letzten Teil nicht ganz so sicher, aber
sie lächelte dennoch. Hart nickte höflich, und dann stiegen sie die letzte
Treppe hinunter und gingen zu der wartenden Kutsche. Während er ihr
hineinhalf, murmelte er: »Ich bin beeindruckt.«
Seine große Hand lag warm um ihren bloßen Ellenbogen, da sie ihren
Umhang über dem Arm trug. Sie lächelte erfreut und setzte sich. »Das war nicht
gerade eine außergewöhnliche Befragung«, sagte sie und versuchte angesichts
seines Lobes gleichgültig zu erscheinen. Ihr wurde sehr bewusst, dass sie nun
unter sich waren und eine weite Fahrt bis ins Villenviertel vor sich hatten.
Hart nahm neben ihr Platz, und Raoul schlug die Kutschentür
hinter ihnen zu. »Du hast ihnen Hoffnung gegeben.« Er lehnte sich träge in die
Polster zurück. Nur Hart war imstande, eine solch simple Sitzposition in etwas
Dekadentes zu verwandeln.
Sie versuchte nicht weiter über seine Männlichkeit nachzudenken
und sagte besorgt: »Wenn das nur kein Fehler war. Ich will ihnen keine falschen
Hoffnungen machen.«
»Ich hege nicht den geringsten Zweifel, dass es dir gelingen wird,
Emily zu finden, Francesca.« Dabei lag eine Wärme in seinem Blick, die einen
Eisblock hätte zum Schmelzen bringen können.
Sein Vertrauen in ihre Fähigkeiten überraschte sie, doch zugleich
freute sie sich ungemein darüber.
»Du solltest vielleicht nicht ganz so selbstzufrieden grinsen«,
bemerkte er schmunzelnd.
Sie strahlte. »Wenn du mir weiter so schmeichelst, wird mir das
zwangsläufig zu Kopf steigen, Hart. Und etwas sagt mir, dass du eine
eingebildete Frau nicht unbedingt attraktiv finden würdest.«
Er lachte. »Ich weiß, dass du nicht eingebildet bist, meine Liebe,
und ich finde dein Selbstvertrauen überaus anziehend.« Sein Lächeln erstarb,
und er warf ihr einen langen, nachdenklichen Blick zu, der ihr durchs Herz und
geradewegs bis in die Lenden ging. Sie setzte sich auf.
»Du bist eine bezaubernde Frau, Francesca, und die Tatsache, dass
du unberechenbar bist, wird mich wohl auf Trab halten«, fügte er hinzu, wobei
er die letzten Worte eher vor sich hin murmelte.
»Diese albernen Zeilen tun mir wirklich leid«, sagte Francesca
rasch. »Ich wusste nicht, was ich schreiben sollte, Calder! Ich hätte vor meiner Abreise mit dir reden sollen.«
»Bitte lüg mich niemals wieder an«, entgegnete er nur. »Ich habe
dich niemals angelogen und erwarte, dass du mir den gleichen Respekt entgegenbringst.«
Sie nickte und verspürte mit einem Mal eine große Nervosität.
Er schenkte ihr ein kleines Lächeln und wandte sich ab. Sie fuhren
jetzt die Fourth Avenue hinauf, entlang der Bauarbeiten für einen neuen
Eisenbahntunnel. Sie ergriff die Gelegenheit, Hart genauer zu betrachten, sein
markantes Profil zu studieren. Und im gleichen Augenblick stürzten die Bilder
des gesamten Abends auf sie ein: ihre Ankunft beim Ball, ihre kurze Unterredung
mit Bragg, ihre Begegnung mit Hart im Flur zur Küche, seine anschließende
Bekanntgabe ihrer Verlobung. Eine Anspannung machte sich in ihrem Inneren
breit. Sie sah wieder Braggs schockierten Gesichtsausdruck vor sich, und mit
einem Mal schwand ihr Wohlgefühl dahin.
Sie hatte ihm wehgetan. Das war nicht ihre Absicht gewesen. Wie
hatten sie ihre Verlobung nur zu einem so unpassenden Zeitpunkt bekannt geben
können?
Er fuhr fort, die vorüberziehenden Gebäude
anzustarren. Es herrschte kaum Verkehr, nur ein einzelner Hansom war in ihre
Richtung unterwegs, und die Hufe der Pferde klapperten laut im Einklang mit Harts Gespann durch die Nacht. Er war mehr als
nur gefährlich verführerisch – er war gefährlich, Punkt. Hart war
derjenige gewesen, der ihre Verlobung öffentlich gemacht hatte. Es war seine
Entscheidung gewesen – der Zeitpunkt allein von ihm gewählt.
Er blickte
träge zu ihr herüber. »Ich an deiner Stelle wäre mit diesen Plakaten, die
eine Belohnung versprechen, etwas vorsichtig.«
Ihr war inzwischen ganz elend zumute. »Wieso?«
»Weil Krethi und Plethi behaupten werden, irgendetwas gesehen zu
haben. Ich fürchte, du wirst es mit hundert angeblichen Zeugen von Emilys
Verschwinden zu tun haben.«
An diese Möglichkeit hatte sie noch gar nicht
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