Brenda Joyce
gedacht. »Du hast
recht. Nun, dann werden wir eben die Spreu vom Weizen trennen müssen. Ich bin
davon überzeugt, dass jemand gesehen hat, was Emily zugestoßen ist. Es gibt
dort draußen einen Menschen, der im Besitz der Information ist, die ich
benötige.«
»Damit hast du nun wiederum recht. Was ist
denn los?«
Sie sah auf und begegnete seinem Blick. »Mir ist gerade erst
wirklich klar geworden, was wir getan haben.«
»Und was haben wir getan?« Er beobachtete sie jetzt sehr genau,
wie ein Adler.
Sie hielt ihre Hand in die Höhe. Selbst im dämmrigen Innenraum
der Kutsche funkelte der große Diamant noch. »Ich glaube, wir hätten einen
günstigeren Zeitpunkt wählen können.«
Der Muskel in seiner Wange schien wieder zu zucken, aber sie
vermochte es in dem schwachen Licht nicht mit Bestimmtheit zu erkennen. »Lass
mich raten. Du machst dir Sorgen um die Gefühle meines armen Halbbruders.«
»Ja, das tue ich.« Sie fühlte sich in die Defensive gedrängt und
setzte sich noch aufrechter hin. »Es war nicht richtig. Ich habe sein Gesicht
gesehen. Er konnte es gar nicht fassen. Es hat ihn tief getroffen.«
Hart lehnte sich zu ihr hinüber. Seine Augen waren jetzt ganz
schwarz. »Er hat nicht das geringste Recht, sich verletzt zu fühlen, Francesca,
das wissen wir doch beide – auch wenn du es einfach nicht zugeben willst.«
Sie atmete tief durch, machte sich auf eine unangenehme
Auseinandersetzung gefasst. »Calder, ich weiß, dass er verheiratet ist. Ich
weiß, dass er Leigh Anne liebt, auch wenn er sich das nicht eingestehen will.
Aber er hat mich sehr gern. Und das weißt du auch! Er empfindet aufrichtige Zuneigung
für mich, und deshalb hat er jedes Recht, sich verletzt zu fühlen.«
»Da bin ich anderer Ansicht. Ich finde, er versucht dich nur davon
abzuhalten, Gefühle für mich zu entwickeln.«
»Das ist doch Unfug!«, rief sie und wurde
rot.
»Wenn er dich wirklich gewollt hätte, Francesca, dann hätte er
Leigh Anne die Haustür – oder zumindest die Schlafzimmertür – vor der Nase
zugeschlagen.«
Wie grausam er doch sein konnte. Sie wandte sich heftig von ihm
ab, versuchte, nicht daran zu denken, dass Bragg und Leigh Anne das Bett
miteinander teilten. Und obwohl sie wusste, dass Hart recht hatte, sagte sie:
»Ich habe ihn ermutigt, bei ihr zu bleiben. Habe ihn angefleht, nicht seine
politische Zukunft wegzuwerfen. Ich bin mir sicher, dass er mit Leigh Anne an
seiner Seite eines Tages einen Sitz im Senat erringen wird. Wäre er geschieden,
könnte er solche Hoffnungen wohl begraben.«
Ein beklemmendes Schweigen folgte ihren
Worten.
Endlich getraute sie sich, Hart anzusehen.
Sein Lächeln wirkte verzerrt. »Hast du dich jemals gefragt, mein
Schatz, ob du nicht einen Hintergedanken hattest, als du ihn um der Politik
willen ermutigt hast, seine Ehe fortzuführen?«
Sie bereitete sich auf den Schlag vor, der mit
Sicherheit kommen würde. »Und welchen Hintergedanken könnte ich wohl gehabt
haben?«
»Seine Ehe hat es dir erlaubt, dort zu sein, wo du so verzweifelt
gern sein möchtest – in meinen Armen ... und schon bald auch in meinem Bett.«
Hätte er näher gesessen, dann hätte sie ihn geohrfeigt. Sie begann
den Ring von ihrem Finger zu lösen, um ihn ihm vor die Füße zu werfen. Er
packte ihre Hand. »Ich entschuldige mich. Das war ungebührlich.«
»Nein, das war grausam«, erwiderte Francesca atemlos. »Du hast
mich gebeten, immer ehrlich zu dir zu sein, da auch du immer ehrlich zu mir
bist. Ich bin immer freundlich zu dir gewesen, und ich verlange, dass du mich
auf die gleiche Weise behandelst!«
Er äußerte sich zunächst nicht dazu, hielt ihre Hand aber
weiterhin fest. Dann sagte er: »Ist dir eigentlich niemals in den Sinn
gekommen, dass dein Verschwinden im letzten Monat unter diesem fadenscheinigen
Vorwand, den du mir als einzigen Trost in einer flüchtigen Notiz hinterlassen
hast, auch ein Akt der Grausamkeit war?«
»Wie bitte?!«
Er lehnte sich weiter zu ihr hinüber, und sein Griff wurde fester.
»Ist es dir niemals eingefallen, dass die Art und Weise, wie du in meiner
Gegenwart über ihn sprichst, von Grausamkeit zeugt?«
Sie starrte erst in seine Augen, dann auf seinen Mund, der dem
ihren so provozierend nahe war. »Aber du liebst mich doch nicht.«
»Ich mag nicht an die Liebe glauben, aber ich habe dich verdammt
gern, und du weißt, wie sehr ich dich schätze, Francesca«, entgegnete er kurz
angebunden. »Und es gibt Augenblicke – wie
diesen –, in denen
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