Brenda Joyce
sie zu begrüßen, ließ sich nicht einmal
zu einem Kopfnicken herab, sondern drehte sich auf dem Absatz um und
marschierte in sein Büro zurück. Francesca folgte ihm.
Hier hatte sich nichts verändert. Sein großer
Schreibtisch war mit Ordnern und Aktenmappen bedeckt, dahinter stand ein Drehstuhl
mit Rohrgeflecht auf Sitzfläche und Lehne. Vom Fenster aus hatte man Ausblick
auf die Mulberry Street. Auf dem Sims über dem Kamin standen zahlreiche
Familienfotografien neben anderen, weitaus eindrucksvolleren, auf denen Bragg
unter anderem mit dem Bürgermeister und Theodore Roosevelt zu sehen war.
Francesca suchte zwischen den Bildern seines Vaters und seiner Adoptivmutter,
der Halbgeschwister, Vettern und Basen, Nichten und Neffen nach einem Foto
seiner Frau, konnte jedoch keines entdecken.
Ebenso wenig gab es ein Foto von Calder Hart. Aber das hatte
Francesca auch nicht erwartet.
Sie zog ihren Mantel aus und hängte ihn sorgfältig an einen
Wandhaken neben Braggs eigenen Mantel, während der hinter seinen Schreibtisch
trat und sich setzte. Von ängstlichem Unbehagen erfüllt, drehte sie sich zu
ihm um. Er hatte die Ellenbogen auf den Schreibtisch gestützt, das Kinn auf die
gefalteten Hände gelegt, und starrte ins Leere.
»Es tut mir leid.«
Er gab einen abschätzigen Laut von sich.
»Können wir bitte miteinander reden?«, fragte sie. Für den Moment
war Emily vergessen. Francesca konnte nur noch daran denken, wie unglücklich
dieser Mann war, und das ihretwegen.
Er hatte es nicht verdient, unglücklich zu sein. Niemand verdiente
es mehr als er, ein glückliches Leben zu führen, denn er hatte in der
Vergangenheit schon so vielen Menschen geholfen.
Er erhob sich noch einmal, um die Tür zu schließen. Dann wandte er
sich ihr zu. »Liebst du ihn?«
Sie erstarrte. Auf diese Frage vermochte sie ihm keine Antwort zu
geben.
»Nun? Wenn du ihn heiraten willst, musst du ihn doch lieben!« In
seiner Stimme lag nun ein zorniger Unterton.
»Ich weiß nicht, ob ich ihn liebe. Ich weiß nur, dass meine Welt
auf den Kopf gestellt wurde, als ich erfuhr, dass du verheiratet bist!«, rief
sie, und das entsprach der Wahrheit. »Seitdem ist nichts mehr, wie es einmal
war.«
»Also ist es meine Schuld, dass du ihn
heiratest.«
»Das habe ich nicht gesagt.« Sie konnte
einfach nicht glauben, dass es zwischen ihnen so weit gekommen war – es schien
ganz so, als seien sie Gegner in einem erbitterten Kampf.
»Es ist meine Schuld, dass wissen wir beide. Denn noch vor einem
Monat hast du in meinen Armen gelegen, Francesca, und mir ewige Liebe
geschworen – und jetzt bist du mit ihm verlobt!«
Sie war versucht, dem zuzustimmen, doch stattdessen entgegnete
sie: »Vor einem Monat war Leigh Anne noch in Europa, eine gemeine Hexe, die du
verachtest hast! Eine Frau mit zahlreichen Liebhabern, eine Frau, die angeblich
niemals zurückkommen würde!«
»Du weißt ganz genau, dass ich mir nichts sehnlicher gewünscht
habe, als dass sie tatsächlich auf immer fortbliebe.« Er schrie die Worte
beinahe. »Du weißt genau, wie sehr ich sie verachte!«
Einen Moment lang brachte sie keinen Ton heraus. »Ich weiß nichts
dergleichen.«
»Und du weißt, dass ich nicht lüge«, fügte er schroff hinzu. »Oder
hat deine Absicht, ihn zu heiraten, dich veranlasst, mein Wort, meine
Integrität in Zweifel zu ziehen?«
»Ich würde niemals dein Wort oder deine Integrität in Zweifel
ziehen. Das ist wirklich nicht fair!«, rief sie schockiert.
»Ach, und ist deine Heirat mit Hart etwa fair?«, fragte er
verbittert.
Sie rang vergebens um Fassung. »Du bist wieder mit Leigh Anne
zusammen. Ich habe jedes Recht, einen anderen Mann zu heiraten.«
»Aber das ist doch nur vorübergehend!«
»Ist es das? Und jetzt stürze dich nicht gleich wieder auf mich
und wirf mir vor, dass ich an dir zweifele.«
»Wenn das kein Zweifeln an mir ist, was ist es dann?«, wollte er
wissen.
Sie atmete tief durch. »Ich glaube«, erwiderte sie behutsam, »dass
die Gefühle, die du für deine Frau empfindest, sehr kompliziert sind und dass
du dich weigerst, dir das einzugestehen. Ich weiß, dass du mich niemals mit
Absicht anlügen würdest, Bragg.«
Er starrte sie an. »Warum tust du das?«, fragte er schließlich.
Dabei lag ein flehentlicher Tonfall in seiner Stimme.
Francesca wäre am liebsten auf ihn zugegangen, um ihn zu trösten,
doch sie unterdrückte das Verlangen und sagte stattdessen: »Ich mag Hart
wirklich sehr. Ich genieße seine Gesellschaft. Er
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