Brenda Joyce
versuchen?«, erwiderte
Francesca. Allmählich gelangte sie zu der Erkenntnis, dass der Mann gar nicht
mit ihr reden wollte. Den Grund dafür kannte sie allerdings nicht.
Seine Wangen begannen zu zittern. »Sie tun ja gerade so, als ob
ich gar nicht helfen wollte, Emily zu finden. Natürlich will ich das. Also
schön.« Er sah sie böse an und verschränkte seine kräftigen Arme vor der
Brust. »Montagnachmittags hab ich ein paar Stammkunden. Mrs Sarnoff, Mrs
Polaski und Mrs O'Brien. Die kommen jeden Montagnachmittag, um ihren
Wochenvorrat an Kartoffeln, Mehl und Zucker zu kaufen.« Sein Blick schien
anzudeuten, Francesca möge nun aber endlich gehen.
»Wo wohnen diese Leute?«, fragte Francesca, während sie einen
kleinen Notizblock und einen Bleistift aus ihrer Handtasche zog. Darin trug
sie auch andere nützliche Utensilien mit sich herum. Die Erfahrung hatte sie
gelehrt, wie wichtig es in ihrem Gewerbe war, stets Zündhölzer, eine Kerze, ein
kleines Messer und eine Pistole bei sich zu haben.
Schmitt stieß einen leisen Seufzer aus. Dann zog er aus einer
Schublade ein Notizbuch hervor, und Francesca schrieb sich die Adressen auf.
»Vielen Dank. Falls Ihnen noch irgendetwas einfallen sollte, setzen Sie sich
doch bitte mit Joel Kennedy in Verbindung, Maggies Sohn. Er wohnt ein Stück
die Straße entlang.«
»Sonst weiß ich nix«, knurrte Schmitt und kehrte ihr den Rücken
zu.«
Francesca verließ den Laden mit einem
beunruhigten Gefühl. Warum war dieser Mann bloß so gar nicht hilfsbereit? Ob
er ihr Informationen vorenthielt? Sie möglicherweise mit der Polizei in
Verbindung brachte? Vielleicht war er auch einfach eingeschüchtert und
reagierte ablehnend, weil sie eine reiche, vornehme junge Dame war? Dennoch
fand Francesca die Behandlung, die ihr widerfahren war, nicht gerechtfertigt.
Die Sonne stieg höher, und der Morgen wurde allmählich wärmer. Es
schien, als hielte der Frühling dieses Jahr zeitig Einzug in der Stadt –
zahlreiche Blumenkästen zierten die Wohnhäuser entlang der Straße, und auf den
Grünflächen sah Francesca Löwenzahn und Narzissen ihre Köpfe durch die Erde
stecken. Der Himmel war überraschend blau und klar. Sie knöpfte ihren
marineblauen Mantel auf und genoss die frische Luft.
Doch ihr Gesicht blieb ernst. Sobald Joel mit dem Aufhängen der
Zettel fertig war, würden sie sich auf den Weg zur Mulberry Street Nummer 300
machen. Dort, einige Straßenzüge von hier entfernt, befand sich das
Polizeipräsidium, wo sie Rick Braggs Hilfe erbitten würde.
Falls er überhaupt noch bereit war, mit ihr zu
reden.
Das Präsidium war in einem fünfstöckigen rötlich braunen
Sandsteingebäude nur einen Steinwurf weit von einem der übelsten Viertel der
Stadt – Mulberry Bend – untergebracht. Als Francesca den Kutscher der
Mietdroschke bezahlte, sah sie davor am Straßenrand Braggs elegantes Automobil
stehen. Ein uniformierter Polizist in blauem Serge mit Lederhelm behielt es
diskret im Auge, andere Uniformierte verließen gerade das Gebäude; ein
Polizeifuhrwerk näherte sich auf der Straße. Francesca wurde beklommen zumute,
wenn sie an die Konfrontation dachte, die ihr mit Sicherheit bevorstand. Wenn
doch der gestrige Abend gar nicht geschehen wäre!
Doch dann wanderten ihre Gedanken zu Calder Hart. Augenblicklich
wich die Beklemmung, ihre Haut begann zu prickeln, und sie errötete. Energisch
zwang sie sich dazu, sich auf die Ermittlung zu konzentrieren. »Kommst du mit
hinein?«, fragte sie Joel, der die Gesetzeshüter der Stadt aufgrund seiner
Betätigung als Taschendieb verabscheute und keinem von ihnen über den Weg
traute.
»Nö, lieber nicht«, entgegnete er mit finsterem Blick. »Ich wette,
wir könnten Emily auch allein finden, Miss Cahill. Wir brauchen dazu wirklich
keine Polypen.«
»Da bin ich anderer Ansicht, und du arbeitest nun einmal für
mich«, erwiderte Francesca und tätschelte seine Schulter. »Wenn du mich
brauchst, findest du mich im Büro des Commissioners.«
Joel nickte, spazierte hinüber zu einer kränklichen Ulme, lehnte
sich dagegen und begann unmelodisch vor sich hin zu pfeifen.
Francesca eilte in die Vorhalle der Wache. Hinter dem langen
Tresen standen mehrere Polizeibeamte, die sie inzwischen recht gut kannte.
Ein Sergeant auf ihrer Seite des Tresens unterhielt sich mit einer
älteren Dame, die offenbar den Diebstahl ihrer Geldbörse anzeigen wollte. Zwei
Männer in schlecht sitzenden Anzügen und mit Melone auf dem Kopf saßen in
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