Brenda Joyce
einen
pochenden Kopfschmerz, und sie fühlte sich wirklich krank. Vielleicht bekam sie
ja eine Erkältung. Das konnte sich als ein wahres Gottesgeschenk erweisen, wenn
sie aus diesem Grund am Abend nicht am Familienessen teilnehmen musste.
Francesca wollte gerade die Treppe
hinaufsteigen, als sie durch die geschlossene Tür der Bibliothek die laute und wütende Stimme ihres Bruders vernahm. Dann hörte sie ihren
Vater in einem ruhigen, gemessenen Tonfall antworten. Unter normalen Umständen
hätte Francesca versucht herauszufinden, was ihren Bruder, der eigentlich ein
überaus sonniges Gemüt besaß, so zornig machte. Wahrscheinlich wäre sie zur
Bibliothek geeilt und hätte gelauscht. Doch im Moment war sie einfach nicht
imstande, sich mit einem weiteren Problem zu befassen, und flüchtete so schnell
es nur eben ging nach oben.
Als sie in ihrem Zimmer Zuflucht gefunden hatte, fielen ihr
plötzlich wieder die Worte ein, die Montrose in der Hitze der Leidenschaft
gesprochen hatte. Worte, von denen Francesca wünschte, sie nie gehört zu
haben.
Meine
Eifersucht treibt mich noch in den Wahnsinn.
»Nein«, flüsterte Francesca und starrte ihr kreidebleiches Gesicht
im Spiegel auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers an. Sie sah todkrank
aus. »Nein.«
Montrose war nicht wahnsinnig. Er war nicht
der Verrückte, der Jonny Burton entführt hatte und nun ein so grausames Spiel
mit Robert Burton trieb, weil er den Ehemann seiner Geliebten hasste.
Das war
einfach unmöglich.
Francesca beschloss, sich trotz ihres schlechten
Befindens der Familie zum Abendessen anzuschließen. Sie musste Montrose in die
Augen blicken und versuchen, ihn zu verstehen. Sie musste ihn zusammen mit
ihrer Schwester sehen und versuchen zu begreifen, was für eine Beziehung sie
führten.
Sie war spät dran. Doch sie vermochte ihre unsicheren Schritte
nicht zu beschleunigen, stieg nur langsam die Treppe hinunter und hielt sich dabei am Messinggeländer fest. Sie fühlte sich
erschöpft, doch sie war zugleich verletzt und wütend. Wie konnte Montrose es
nur wagen, ihre Schwester zu betrügen! Damit betrog er gleichzeitig ihre ganze
Familie.
Im Esszimmer hatten sich bereits alle versammelt und nahmen
gerade nach und nach ihre Plätze ein. Als Andrew seine Tochter erblickte,
lächelte er erfreut.
»Francesca! Wie schön, dass du uns Gesellschaft leisten kannst!
Deine Mutter hat mir gerade erzählt, dass du dich heute Nachmittag nicht wohl
gefühlt hast.« Ihr Vater zog sie an sich, doch sein Lächeln verschwand, als er
Francesca mit forschendem Blick betrachtete.
Sie war sich bewusst, dass sie schrecklich aussah – sie war immer
noch sehr blass, und ihre Augen waren vom vielen Weinen stark gerötet. Trotzdem
rang sie sich ein Lächeln ab. »Es geht mir besser«, sagte sie mit leiser Stimme.
»Fran?« Evan kam mit besorgtem
Gesichtsausdruck auf sie zu. »Ich glaube, du solltest lieber wieder nach oben
gehen und dich ins Bett legen. Du siehst entsetzlich aus.«
»Es geht mir gut.« Dieses Mal sprach sie mit
fester, lauter Stimme. Dann blickte sie über den Tisch hinweg zu Montrose, der
neben Connie stand. Die beiden sahen sie voller Sorge an.
Neil! Jemand hat uns beobachtet!
Elizas Aufschrei hallte Francesca so laut in
den Ohren wider, als hätte sie ihn soeben erst gehört. Bilder, von denen sie
wünschte, sie hätte sie nie gesehen, schossen ihr durch den Kopf.
Es war ihr unmöglich, Montroses
Gesichtsausdruck zu entschlüsseln. War er nach Elizas Schrei aufgesprungen? War er
hinter ihr hergelaufen? Hatte er sie gesehen?
War ihm klar, dass Francesca über ihn und seine Affäre Bescheid
wusste?
Aber er konnte doch unmöglich das Ungeheuer
sein, das Jonny Burton entführt und möglicherweise sogar umgebracht hatte! Er
mochte ein Ehebrecher sein, aber das machte ihn noch lange nicht zu einem
Verrückten. Viele Männer waren eifersüchtig, wenn es um ihre Frauen oder ihre
Geliebten ging.
Meine Eifersucht treibt mich noch in den
Wahnsinn.
»Fran!«, rief Connie in diesem Augenblick. Sie
reichte Lucinda, die mit großen Augen um sich schaute, an Mrs Partridge
weiter, gab der Kleinen noch einen Kuss auf die Wange und eilte dann um den
Tisch herum auf ihre Schwester zu.
»Tante Fran! Setz dich neben mich!«, rief
Charlotte und hüpfte auf und ab.
Francesca blieb mit klopfendem Herzen wie
angewurzelt stehen und vermochte ihren Blick nicht von Montrose zu lösen, der
sie ebenfalls unablässig anblickte. Sie spürte, wie die Anspannung
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