Brenda Joyce
sehr wie diesem Mann, und sie nahm sich fest vor, das
nie wieder zu vergessen – insbesondere nicht in Harts Gegenwart.
Eigentlich hatte sie Bragg noch in der Nacht aufsuchen wollen,
gleich nach ihrem Besuch in Harts Villa. Doch Hart hatte ihre Plane
durchkreuzt, indem er darauf bestand, sie persönlich nach Hause zu begleiten.
Braggs Hand umfasste ihren Nacken.
»Francesca?«
Sie trat ein kleines Stück zurück, sodass sie einander in die Augen
sehen konnten. »Es gibt Schwierigkeiten, Bragg. Sie müssen Hart Einhalt
gebieten – ehe er jemanden umbringt.«
Bragg riss erschrocken die Augen auf. Einen Moment lang stand er
wie erstarrt, dann ließ er sie los, und seine Miene verhärtete sich. »Das
klingt nicht gut.«
»Ich habe solche Angst«, gestand sie.
»Das sehe ich. Eigentlich war ich gerade auf dem Weg zum Polizeipräsidium,
aber lassen Sie uns wieder hineingehen, damit Sie sich erklären können.«
Francesca war zunächst bestürzt über seine
Wortwahl, sagte sich jedoch, dass er gewiss unter starker Anspannung stand. Sie
folgte ihm ins Haus, wo sie aus der Küche eine laute Frauenstimme vernahm. Das
musste Mrs Flowers sein, die neue Kinderfrau.
Augenblicklich befielen sie Schuldgefühle. Sie hatte die Kinder
nicht mehr gesehen, seit Bragg sie am Donnerstag zu einem Besuch bei ihr
mitgebracht hatte.
»Und ich bin es leid, dass Sie sich ständig
einmischen. Ist das klar, guter Mann?«, fragte die scharfe Stimme mit
britischem Akzent.
Francesca stellte sich eine große, hagere Frau in spazierstockgerader
Haltung vor, mit einer Brille und dem Charakter eines Sergeants der Marines.
»Armer Peter«, flüsterte sie Bragg zu.
»Wie Hund und Katz«, versetzte er noch immer furchtbar verbissen.
»Möchten Sie die Mädchen sehen und die Kinderfrau kennen lernen, die Ihre
Mutter engagiert hat?«
»Selbstverständlich«, antwortete sie mit gekünsteltem Lächeln.
Während sie an ihm vorbeiging, versuchte sie, ihre Sorgen um Hart und sein
Vorhaben für den Moment beiseite zu schieben. Nun, bei Tageslicht, war sie bei
allem Verständnis für Lucy doch höchst ärgerlich auf diese, weil sie ihren
Stiefbruder in eine solche Situation gebracht hatte.
Auf der Türschwelle zur Küche hielt Francesca
inne. Dot hockte auf dem Boden und mantschte in einem Haufen Brei herum. Katie
saß am Tisch und aß ebensolchen Brei. Beide Mädchen bemerkten Francesca
gleichzeitig. Katie ließ beinahe den Löffel fallen und riss ihre braunen
Augen weit auf. Dot klatschte in die Hände und schrie aus Leibeskräften:
»Fraka! Fraka! Fraka, komm!«
Francesca sah, wie Katie den Blick senkte und tat, als sei ihr der
Besuch gleichgültig. Immerhin aß die Sechsjährige nun endlich, wenn auch sehr
zurückhaltend. Während ihrer ersten Woche bei Bragg – unmittelbar nach dem Tod
ihrer Mutter – hatte sie jegliche Nahrung verweigert, und dabei war sie ohnehin
schon dünn wie ein Besenstiel gewesen.
Francesca hob rasch Dot auf den Arm und
betrachtete dann die Szene am Herd. Mrs Flowers war weder groß, noch sah sie unfreundlich
aus. Im Gegenteil – sie war klein, ein wenig mollig, hatte dunkles, lockiges
Haar und ein recht hübsches Gesicht. Eine Brille trug sie tatsächlich, doch
diese tat ihrer Attraktivität keinerlei Abbruch, sondern stand ihr im Gegenteil
ausgesprochen gut. Sie konnte kaum über einsfünfzig groß sein, schätzte
Francesca und musste sich das Lachen verbeißen bei der Vorstellung, dass
dieses winzige Persönchen dem gut zwei Meter großen Schweden die Stirn bot. Doch
da stand Mrs Flowers, die Hände auf ihre wohlgeformten Hüften gestemmt, vor
Peter, der sie bei weitem überragte und eine resignierte Miene aufgesetzt hatte
– nein, vielmehr sah er aus wie jemand, der sich in tiefes Leiden fügte.
»Katie geht heute zur Schule, und damit basta. Habe ich mich klar
genug ausgedrückt, Mr Olsen?«
Peter warf Bragg einen hilflosen Blick zu.
Francesca zögerte. Ob das tatsächlich eine
gute Idee war? Eigentlich gehörte Katie natürlich in die Schule, doch in
diesem Fall würde es eine neue Schule sein, und die Kleine hatte erst kürzlich
ihre Mutter verloren. Sie verhielt sich noch immer unnahbar und mürrisch, ja
geradezu feindselig.
Noch ehe Francesca ihre Meinung äußern konnte, wandte sich Mrs
Flowers an Bragg. »Ich verfüge über jahrelange Erfahrung, Sir. Mir ist durchaus
bewusst, was Katie durchmacht. Aber sie muss wieder in einen geregelten
Tagesablauf hineinfinden. Er respektiert mich nicht. Ich kann
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