Brenda Joyce
miteinander
aufgewachsen, Francesca. Wir sind zwar nicht blutsverwandt, aber wir haben
eine gemeinsame Familie ... und eine gemeinsame Vergangenheit. In gewisser Weise
ist sie meine Schwester, und mitunter vergesse ich beinahe, dass wir keinen
Tropfen gemeinsamen Blutes haben.«
Francesca umklammerte unwillkürlich seine Hände. »Was haben Sie
geantwortet? Haben Sie ihr zugesagt, es zu tun?«
Er erwiderte den Druck ihrer Hände. »Francesca, Lucy steckt in
Schwierigkeiten. Wer sonst würde ihr helfen, wenn ich es nicht tue? Ehrlich
gesagt hätte sie Shoz davon erzählen sollen. Er hätte dieser Angelegenheit ein
Ende bereitet, noch ehe sie überhaupt richtig begonnen hätte. Doch das hat sie
nun einmal nicht getan, und nun ist er in Texas, wir hingegen sind hier. Wenn
ich ihr nicht helfe, wer sonst?«
»Es gibt immer noch die Polizei. Es gibt immer noch Bragg. Er wird
unter allen Umständen für Gerechtigkeit sorgen ...«
»Ihr Mann wurde bereits einmal unrechtmäßig eingesperrt«, fiel
Hart ihr ins Wort. »Ich weiß, Sie sind eine Romantikerin sondergleichen, aber
die Gerechtigkeit ist nun einmal ein seltenes und launenhaftes Ding, Francesca.
Auch ich mache mir Sorgen um Shoz. Ich fürchte, Lucy könnte Recht haben, ganz
gleich, welches Leben er in den letzten zwölf Jahren geführt hat. Wenn Craddock Lucy erpresst, muss Shoz etwas zu
verbergen haben. Wollen Sie mir etwa weismachen, Sie glaubten, dass Rick die Sache
unter den Teppich kehren würde ... wenn Shoz schuldig ist?«
»Ich bin überzeugt, dass es eine Möglichkeit gäbe, seine Unschuld
zu beweisen!«
»Wie ich schon sagte, Sie sind eine entsetzliche, unverbesserliche
Romantikerin«, stellte er fest.
Sein Ton
war sanft, beinahe zärtlich, doch darauf konnte sie jetzt nicht ihre
Aufmerksamkeit richten. »Die Lösung besteht also Ihrer Meinung nach darin,
Craddock zu ermorden?«
»Das wäre
eine mögliche Lösung«, antwortete er nach einigem Schweigen.
»Ich flehe Sie an, Hart, tun Sie das nicht! Bitte, Hart, bitte,
laden Sie nicht solche Schuld auf sich! Es war falsch von Lucy, Sie darum zu
bitten. Mord ist einfach nur falsch, grundfalsch!«, rief sie eindringlich.
»Also darüber machen Sie sich Sorgen? Sie
wollen einen verurteilten und gewalttätigen Verbrecher vor einem rechtswidrigen
Schicksal bewahren? Einem Schicksal, das er, wie ich hinzufügen möchte,
verdient?«, versetzte er nicht minder eindringlich.
»Nein«, entgegnete sie heiser. »Das ist meine
geringste Sorge.« Das entsprach der Wahrheit, auch wenn sie sich noch vor
nicht allzu langer Zeit nicht hätte vorstellen können, dass sie einmal so
denken könnte. Das Leben ging wahrhaftig seltsame Wege.
Hart
schwieg abwartend.
Francesca atmete schwer. »Was, wenn Sie nicht unentdeckt bleiben?
Was, wenn am Ende Sie derjenige sind, der vor Gericht gestellt und verurteilt
wird?«
Sein Blick wanderte über ihr Gesicht und blieb schließlich wieder
an den Augen hängen. »Ich fühle mich geschmeichelt, Francesca«, bemerkte er
ohne einen Anflug von Spott.
»Es geht hier nicht um Schmeichelei! Möchten Sie sich etwa selbst
zum Opferlamm machen?«
Seine Augen wurden schmal, und ein intensives Leuchten schien von
ihnen auszugehen. »Ich habe durchaus nicht die Absicht, mich jemals für
irgendein Verbrechen vor Gericht stellen zu lassen. Wie wichtig ist Ihnen das
eigentlich, Francesca?«
»Ach, hören Sie doch auf! Selbstverständlich
ist es mir wichtig – sonst wäre ich schließlich nicht hergekommen! Es muss eine
andere Lösung geben, Calder – das darf einfach nicht der einzige Ausweg sein!«
Plötzlich schossen ihr die Tränen in die Augen, die sie während der vergangenen
Stunde zurückgehalten hatte. Es schien ihr beinahe, als stünde ihr eigenes
Leben auf dem Spiel.
Er zog sie an sich. »Weinen Sie nicht.«
Francesca ließ ihren Tränen nun freien Lauf, ohne jedoch einen
Laut von sich zu geben. In ihrer Benommenheit und Verzweiflung wurde ihr erst
allmählich bewusst, dass sie tatsächlich gerade in Calder Harts Armen lag, die
Wange an seiner Brust ... ihr Herz setzte einen Schlag aus, ihr Atem wurde
ruhig, und die Tränen versiegten.
Sie wagte sich nicht zu bewegen. Mit einem Auge – das andere war
geschlossen und an sein nun tränennasses Hemd gepresst –, sah sie auf seiner
Brust das pechschwarze Haar auf der dunklen Haut, unter der sich die Muskeln
abzeichneten. Sie hörte sein Herz ruhig und kraftvoll schlagen.
Er hatte beide Hände auf ihren Rücken gelegt, hielt
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