Brenda Joyce
dieses
Schurken befreien, und zwar lebend. Und jetzt geh mir verdammt noch mal aus dem
Weg, Calder.«
»Warum denn gleich aus der Haut fahren, Rick? Könnte es sein, dass
hier eine schlimme Erinnerung zum Leben erwacht ist? Johnny Burton wurde lebend
gefunden. Wir können auch Chrissy lebend finden, ohne ihren Vater ans Messer zu
liefern. Dir geht es hier in Wirklichkeit nicht um Chrissy – dir geht es um dich
selbst.«
»Du bist der kaltherzigste Mann, den ich kenne. Chrissys Leben
steht auf dem Spiel«, zischte Bragg beängstigend leise. »Und ich werde mich
nicht länger mit dir streiten.«
Francesca hielt es nicht mehr aus. Sie lief zu
den beiden, stellte sich zwischen sie und umklammerte Harts geballte Faust.
»Calder, in diesem Fall können uns die Mittel, über die die Polizei verfügt,
nützlich sein. Ich halte es für klüger, die Behörde einzuschalten, denn
schließlich geht es hier um ein Verbrechen. Über den Cooper-Mord können wir uns
später noch Gedanken machen!«
Als er sich ihr zuwandte, fuhr sie erschrocken zurück – aus seinen
Augen sprühte blanker Zorn. Er schüttelte ihre Hand ab und fauchte: »Ihr zwei
habt einander verdient.« Sein giftiger Ton traf Francesca wie ein Schlag.
»Calder!«, setzte sie noch einmal an.
Als hätte er sie nicht gehört, verließ er die Eingangshalle mit
langen, energischen Schritten.
Francesca blickte ihm nach, unfähig, sich zu rühren, unfähig zu
atmen. Die Szene kam ihr vor wie ein Déjàvu. War es tatsächlich erst wenige
Tage her, dass er sie genau auf dieselbe Weise hatte stehen lassen? Und warum
beängstigte sie das so sehr?
Am liebsten wäre sie ihm nachgelaufen und hätte ihm versichert
... ja, was eigentlich? Sie blieb reglos stehen.
Nachdem er in dem Korridor verschwunden war, wandte sie sich Bragg
zu und stellte fest, dass er sie eingehend musterte. Sie versteifte sich. Es
fiel ihr schwer, ihm jetzt in die Augen zu sehen. Sie biss sich auf die Lippe
und senkte den Blick, ehe sie es wagte, dem seinen zu begegnen. »Sie haben
Recht, daran zweifle ich nicht. Wir müssen Craddock finden und Chrissy wieder
nach Hause holen – um alles andere können wir uns später Gedanken machen.« Sie
lächelte, doch ihr Lächeln kam ihr selbst entsetzlich schwach und brüchig vor.
»Er weiß, dass wir zusammen nach Fort Kendall gefahren sind, nicht
wahr?«, fragte Bragg.
Sie nickte. »Ich habe es ihm nicht erzählt. Er hat nach Ihnen gesucht
...«
»Meine Mitarbeiter wussten, wo ich war. Es war also wirklich kein
Geheimnis.«
Sie blickte in die Richtung, in der Hart verschwunden war. »Er ist
so wütend«, flüsterte sie. »Und zwar auf mich, nicht auf Sie.«
»Er ist eifersüchtig«, stellte Bragg trocken fest.
Sie starrte ihn entgeistert an. »Nein, ich glaube, Sie irren sich.
Warum sollte er denn eifersüchtig sein?«
Bragg stieß einen Laut aus, der ungläubig und zugleich verächtlich
klang. »Sie sind eine schöne Frau, und er will Sie. Aber Sie wollen ihn nicht.«
Sie errötete und wusste nichts zu erwidern, doch ihre Gedanken
arbeiteten fieberhaft. Konnte Bragg Recht haben? Aber Calder war stets so kühl, so beherrscht. Er hatte ihr
gestanden, dass er sie gern in seinem Bett hätte ... doch die Art, wie er das
gesagt hatte, schien zu vermitteln, er könne jegliches Begehren, das er
empfand, mühelos unterdrücken. Andererseits hatte sie bereits beobachtet, wie
eifersüchtig er in anderen Bereichen auf Bragg war.
»Oder?«,
fragte Bragg plötzlich in kühlem Ton.
Francesca
schrak auf. »Oder was?«
»Oder
wollen Sie ihn doch?«
Sie spürte eine bedrohliche Hitze in ihren Wangen. Rasch öffnete
sie den Mund, um alles abzustreiten, doch es kam kein einziges Wort heraus.
»Fangen Sie
etwa an, sich in ihn zu verlieben?«
Sie atmete flach. »Nein!
Selbstverständlich nicht!« Das Sprechen fiel ihr schwer. Es war, als stecke ein
großes Fellknäuel in ihrer Brust. »Wie können Sie – nach gestern Nacht – wie
können Sie so etwas überhaupt fragen?«, brachte sie atemlos heraus.
»Ganz einfach.« Sein Blick war
hart. »Wenn es so ist, wird er Ihnen hundertmal das Herz brechen. Wo steht sein
Telefon?« Damit verriet er ihr nichts Neues. Hart war berüchtigt dafür, Frauen
für kurze Zeit zu lieben und dann wieder zu verlassen. Das heißt, er liebte sie
nicht wirklich – es war eine rein körperliche Liebe. »Ich weiß«, hauchte sie.
»Das Telefon?«
»In der
Bibliothek«, entgegnete sie knapp.
Bragg eilte an ihr vorbei durch die Halle
Weitere Kostenlose Bücher