Brenda Joyce
lassen. Es war eine für die New Yorker
Gesellschaft typische Heirat gewesen: Connie brachte den Reichtum mit in die
Ehe, ihr Mann das blaue Blut und die Titel. Untypisch war allerdings, dass sich
die beiden tatsächlich auf Anhieb ineinander verliebt hatten.
All das lag nun bereits fünf Jahre zurück. »Ich wage nicht zu fragen,
warum du Connies Rat benötigst«, bemerkte Montrose, aber aus seinem Lächeln
sprach herzliche Zuneigung. Er war ein großer, muskulöser Mann mit dunklem Haar
und türkisfarbenen Augen, ebenso gut aussehend wie nobel. »Musst du dich denn
immer wie ein wildes Füllen gebärden? Was mag nur diesmal wieder hinter deiner
angespannten Miene stecken?«
»Nun vergleichst du mich schon mit einem Pferd?« Doch Francesca
lächelte ebenfalls. Es tat ihr gut, Neil in solch freundlicher Laune zu erleben
– in diesem Haus hatte einfach allzu lange eine unheilvolle Stimmung
geherrscht.
»Habe ich das?« Er hob mit zwei Fingern ihr Kinn an. »Es lag nicht
in meiner Absicht, respektlos zu sein. Wie geht es deiner Hand heute?«
»Bestens. Ich glaube allerdings, Mama hofft, mich weiterhin mit
Laudanum ruhig stellen zu können.«
»Warum
wohl?« Er lachte.
»Ich kann
nun einmal nicht anders, als mein Leben zu leben.«
»Ganz im
Gegensatz zu anderen jungen Damen, die nichts weiter im Sinn haben, als
einzukaufen, zu heiraten und widerspruchslos zu tun, was man von ihnen
erwartet, wie?«
»Das fasse
ich als Kompliment auf«, erwiderte Francesca ernsthaft.
»Es war auch so gemeint«, versetzte ihr Schwager mit der gleichen
Ernsthaftigkeit. Dann fuhr er fort: »Meine Frau ist noch nicht heruntergekommen – ich weiß nicht, ob sie überhaupt schon
wach ist. Aber wenn du möchtest, kannst du gern hinaufgehen und sie wecken.«
»Connie liegt noch im Bett?«,
vergewisserte sich Francesca ungläubig. Ihre Schwester stand sonst immer
zusammen mit der dreijährigen Charlotte und der achtmonatigen Lucinda auf.
»Soweit ich weiß, ja.« Neils
Gesicht nahm einen verschlossenen Ausdruck an.
»Ist das eine neue Angewohnheit von ihr?«, erkundigte sich
Francesca behutsam.
Er wurde zusehends reservierter.
»Neil?« Für einen Sekundenbruchteil verriet sein Blick Anspannung
und Kummer. Schlagartig waren ihre eigenen Sorgen verflogen – offenkundig lag
in der Beziehung zwischen Connie und Montrose noch immer etwas im Argen. Diese
Feststellung machte Francesca betroffen, und
zudem fühlte sie sich verantwortlich, denn hätte sie Neil nicht mit seiner
Geliebten ertappt, dann hätte Connie womöglich nie die Wahrheit erfahren.
Natürlich hatte Connie etwas geahnt und wäre
früher oder später wohl doch dahinter gekommen, dass ihr Mann ihr untreu war.
Francesca berührte ihn an der Hand. »Wie geht es Connie, Neil?«
Er wich
ihrem Blick aus. »Gut. Es ist alles in Ordnung.«
Doch Francesca kannte ihn zu gut, als dass sie ihm die Lüge abgenommen
hätte. Nichts war in Ordnung. »Und wie geht es dir?« Vor wenigen Tagen noch war
er furchtbar aufgebracht und zornig gewesen. Und seltsamerweise hatte er ihr
gegenüber behauptet, er sei derjenige, dessen Herz gebrochen sei. Für
Francesca ergab das keinerlei Sinn.
»Geh ruhig hinauf. Ich lese noch rasch die Morgenzeitungen, und
anschließend muss ich zu einer Vorstandssitzung.« Er nickte ihr zu und verließ
die Eingangshalle.
Francesca blickte ihm voller Unbehagen nach. Anscheinend war er
nicht in der Stimmung, ihr seine Gefühle zu offenbaren – ohnehin war er ein
recht verschlossener Mensch. Der Gefühlsausbruch von neulich stellte eine
Ausnahme dar, sein Zorn hatte ihn überwältigt. Francesca seufzte. Wenn sich
Neil ihr nicht anvertrauen wollte, konnte sie ihn nicht dazu zwingen.
Doch Connie war ihre beste Freundin überhaupt. Francesca kannte
ihre Schwester ebenso gut wie sich selbst. Connie blieb sonst nie lange im Bett. Sie war die geschäftigste Dame, die Francesca
kannte, und widmete sich ihren Rollen als Ehefrau, Mutter und Dame der
Gesellschaft gleichermaßen hingebungsvoll. Bis vor kurzem hatte sie ihren Mann
von ganzem Herzen geliebt, ebenso wie ihre Kinder und ihr Leben. Und sie
hatte noch nie verschlafen.
Francesca durchquerte die Eingangshalle und
stieg die Treppe hinauf. Vor der Tür zu Connies Suite hielt sie inne. Von drinnen
war kein Laut zu hören. Auch nachdem sie geklopft hatte, blieb es still. Doch
als sie eintrat, fand sie den Salon keineswegs leer vor. Connie saß an ihrem
Sekretär, schrieb aber nicht, sondern hatte das Kinn in die
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