Brenda Joyce
tadellosem Zustand. Dabei
handelte es sich um zwei Landschaftsgemälde, eine Szene, die eine Mutter mit
ihren zwei Kindern zeigte, und zwei Porträts von jungen Frauen. Vorsichtig
näherte sich Francesca der sechsten Leinwand.
Das Motiv konnte sie nicht erkennen, denn die gesamte Oberfläche
war mit schwarzer und roter Farbe verschmiert. Außerdem war die Leinwand in
Fetzen geschnitten worden. Zögernd sah Francesca auf.
Sie begegnete Braggs Blick. »Ich denke, damit hat es etwas auf
sich«, bemerkte er.
»Ja. Es sieht aus, als habe jemand gezielt dieses eine Bild zerstören
wollen.«
»Ob es wohl ein Porträt war?«
»Und falls ja – von wem?«, fügte Francesca
hinzu.
Bragg wurde plötzlich sehr ernst. Offenbar war ihm etwas in den
Sinn gekommen. »Wann hätten Sie mir davon erzählt?«
Sie wand sich innerlich – ihr war vollkommen klar, wovon er
sprach. »Das ist ungerecht.«
»Warum will er ein Porträt von Ihnen, Francesca? Oder ist diese
Frage überflüssig?« Seine Augen verfinsterten sich.
»Sie haben doch selbst gesagt, dass er gern Unfrieden stiftet!«,
rief Francesca aus.
»Das tut er allerdings, aber in diesem Fall sagt mir mein Gefühl,
dass er ein verborgenes Motiv hat.«
»Sein einziges Motiv ist, mich verärgern zu wollen. Sie müssen wissen,
er war gerade zornig auf mich, als er beschloss, das Bild in Auftrag zu geben.
Für ihn ist das nur ein Spiel, Bragg. Mein Porträt könnte ihm gar nicht
gleichgültiger sein!«
Braggs Augen wurden schmal. »Wenn es um schöne Frauen geht, ist
mein Halbbruder ein wahres Raubtier, das wissen Sie. Und dennoch verteidigen
Sie ihn ständig!«
»Ich verteidige Hart überhaupt nicht«, versetzte sie scharf. »Und
er hat mir nie nachgestellt und wird es auch nie tun. Um Himmels willen, Sie
wissen doch so gut wie ich, dass er sich nicht mit ledigen Frauen einlässt!
Glauben Sie mir, hinter dem Auftrag zu diesem Porträt steckt nichts als eine
alberne Laune.«
Bragg sah aus, als stünde er kurz vor einem Wutausbruch. »Warum
hat er Sarah dann einen Vorschuss auf das Bild gezahlt?«, fragte er schroff.
»Ich habe keine Ahnung«, beteuerte Francesca, »und ich bin dieses
Thema wirklich leid. Sie behandeln mich, als sei dies alles meine Schuld! Ich
versichere Ihnen, ich finde Hart ebenfalls unerträglich.«
»Dann teilen Sie ihm mit, dass Sie für das Porträt nicht Modell
sitzen werden«, entgegnete Bragg tonlos.
Sie erstarrte. »Das kann ich nicht tun.« Als sie seinen wissenden
Blick auffing, fuhr sie hastig fort: »Nicht seinetwegen – es geht mir um Sarah!
Sie ist ganz begeistert, dass Hart ein Bild von ihr wünscht. Ich kann sie jetzt
nicht im Stich lassen.«
Bragg wandte sich abrupt ab. »Sarah? Es tut mir Leid, aber ich
muss Sie bitten hereinzukommen.«
Francesca ertappte sich dabei, wie sie mit offenem Mund vor sich
hinstarrte. Hastig nahm sie sich zusammen.
Sarah hielt auf der Schwelle inne. Sie war sehr bleich geworden
und wirkte kränklich.
Francesca hätte Bragg am liebsten gegen das
Schienbein getreten. Doch gleich darauf wurde ihr klar, warum er Sarah
hereingebeten hatte. Sanft sagte er: »Sie müssen für uns diese Leinwand dort
identifizieren, Sarah. Wissen Sie noch, welches Motiv sich darauf befand?« Er
deutete auf die zerstörte Leinwand am Boden.
Sarah warf einen Blick darauf und stieß einen
Schrei aus. Dann hielt sie sich mit beiden Händen den Leib und begann zu
würgen.
Francesca eilte herbei, um sie zu stützen. Sarah rang nach Luft,
doch es gelang ihr, die Übelkeit zu unterdrücken. Schließlich richtete sie sich
schwer atmend auf. Ihre Augen waren weit aufgerissen.
»Sie wissen, um welches Bild es
sich handelt«, stellte Bragg fest.
Sarah nickte und schluckte
mühsam. »Es war das Porträt, das ich von Bartolla gemalt habe.«
»Ich freue mich so, dass sich die jungen Damen entschlossen haben, mit
uns zu Mittag zu essen!«, rief Mrs Channing entzückt aus.
Die ganze Gesellschaft saß an dem Kirschholztisch, der Platz für
fünfzig Personen bot. Die Wände des riesigen Esszimmers waren rot tapeziert,
die mintgrün gestrichene Decke mit roten Akzenten in Form vielstrahliger Sterne
verziert. Jedes Mal, wenn Francesca aufblickte – vorbei an drei monströs großen
Kristall-Kronleuchtern mit Engelskulpturen an den Spitzen –, erinnerten die
Sterne sie an Blutspritzer.
Warum war Bartollas Porträt zerstört worden? Hatte der Vandalismus
womöglich ihr gegolten und nicht Sarah?
»Wie aufregend – Sie sind also Derek
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