Brenda Joyce
hinzu:
»Möglicherweise haben Sie den Grafen nicht gekannt. Der herzensgute Mann war
natürlich um einiges älter. In den letzten Jahren ist er nicht mehr viel
ausgegangen. Er war sehr krank ... hatte er nicht vor ein paar Jahren einen
Schlaganfall, meine Liebe?«
»Er ist bis zu seinem Tod regelmäßig spazieren gegangen, täglich
eine Meile weit«, erwiderte Bartolla steif.
Lucy kicherte beinahe vor Schadenfreude.
Bartollas Kiefermuskeln verkrampften sich, während Lucy munter
weiterplapperte: »Shoz ist auch etwas älter als ich – er ist vierzig, um genau
zu sein. Aber er sieht noch genauso aus wie damals vor fünf Jahren, als wir uns
kennen lernten.« Sie lächelte. »Er ist übrigens ein unglaublich gut
aussehender Mann. Wie alt war Ihr Gatte, als er starb?«
Bartolla
starrte sie nur schweigend an.
»Oh, er war in den Sechzigern, soweit ich
weiß«, antwortete Mrs Channing an ihrer Stelle eifrig. »Und die beiden waren
erst seit acht Jahren verheiratet! Der Graf war völlig verzaubert von seiner
jungen amerikanischen Frau, Lucy, schlichtweg verzaubert.«
Bartolla
rammte die Gabel in ihren Salat.
»Davon bin ich überzeugt«,
kommentierte Lucy hämisch.
»Ich kann nichts essen.«
Aller Augen richteten sich auf Sarah, die zum ersten Mal das Wort
ergriffen hatte. Sie saß steif und sehr aufrecht vor ihrem unberührten Teller.
»Natürlich nicht«, schaltete sich Francesca mitfühlend ein. »Mrs
Channing, würde es Ihnen wohl viel ausmachen, wenn Sarah und ich ein wenig
spazieren gingen? Ich glaube, etwas frische Luft täte ihr gut.«
Mrs Channing stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, doch
sie erhob keinen Einwand. »Nein, Francesca, selbstverständlich nicht.«
Als sich Francesca und Sarah erhoben, sprang Lucy ebenfalls auf.
»Ich muss mich den beiden unbedingt anschließen«, verkündete sie. »Ich hoffe,
Sie haben dafür Verständnis, Mrs Channing. Francesca hat mir nämlich
gestattet, ihr in diesem Fall zu assistieren.«
»Sarah?« Im Musikzimmer fasste Francesca ihre Freundin an der
Hand. »Vielleicht wäre es das Beste, wenn wir dem Personal Anweisung erteilten,
dein Atelier wieder instand zu setzen.«
Sarah seufzte. »Der Commissioner sagte, er werde einen Detective
herschicken und wir dürften so lange nichts anrühren.«
»Ich weiß, ich war dabei«, erwiderte Francesca leise. »Aber ich
denke, es täte dir gut, so bald wie möglich wieder an die Arbeit zu gehen. Wir
könnten zunächst wenigstens einen kleinen Teil des Raumes aufräumen lassen.«
Sarah
blinzelte. »Ich habe nicht das Bedürfnis zu arbeiten.«
Die Art,
wie sie das sagte, behagte Francesca nicht. »Aber ...« Sarah schnitt ihr das
Wort ab. »Dränge mich nicht! Ich werde jetzt nicht malen«, verkündete sie
entschieden. »Nicht einmal dein Porträt.«
Eigentlich hätte Francesca darüber
erleichtert sein müssen, doch sie war es nicht. Auch wenn sie im Geiste noch
immer Harts spöttische Miene vor sich sah, wäre es ihr dennoch lieber gewesen,
Sarah hätte darauf gedrängt, schnellstmöglich an dem Porträt arbeiten zu
können. Alles wäre besser gewesen als ihre Weigerung, überhaupt etwas zu
malen. »Wie kann ich dir helfen?«, fragte sie schließlich.
Sarah kämpfte mit den Tränen. »Finde den
Vandalen, der das hier angerichtet hat, und bringe ihn zu mir, damit ich
erfahre, warum!«
Francesca erlebte Sarah gerade von einer Seite, die sonst kaum
jemand zu sehen bekam – als eine junge Frau voller Mut und Kraft. Sie wünschte,
ihr Bruder könnte seine Verlobte so sehen. »Ich habe dir versprochen, der Sache
auf den Grund zu gehen, und du weißt, dass du dich darauf verlassen kannst«,
beteuerte sie.
»Ja, ich weiß.« Sarah seufzte
noch einmal und trat an ein Fenster, von dem aus man das Grundstück hinter dem
Haus überblicken konnte. Jenseits der schneebedeckten Rasenflächen erstreckte
sich nichts als unbebautes Land. Am Horizont konnte man gerade noch die
Uferklippen sehen, eine Reihe steiler, zerklüfteter, stahlgrauer Felsen.
»Sarah? Meine Familie trifft sich heute Abend
zum Essen im Plaza. Ich habe eine wunderbare Idee«, verkündete Lucy. »Wie wäre
es, wenn Sie und Ihre Mutter uns dabei Gesellschaft leisten? Ihr Verlobter ist
selbstverständlich auch eingeladen.« Sie wandte sich Francesca zu. »Und Sie
ebenfalls, Fran. Ich weiß, es ist sehr kurzfristig, aber ich kann Ihnen
versprechen, dass es ein wahres Fest wird. Bestimmt würde es Sie aufmuntern!«
Francesca zögerte. Ein Teil von ihr
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