Brenda Joyce
Braggs Enkelin und Erbin
seines Vermögens«, sagte Mrs Channing gerade. »Ich habe mir immer gewünscht,
ihn einmal kennen zu lernen! Er ist schließlich eine Legende.«
»Nun, ich habe allerdings noch fünf Brüder, ganz zu schweigen von
Dutzenden von Cousins und Cousinen«, bemerkte Lucy.
»Die Bragg-Erbin ist in der Stadt! Oh, wir müssen Ihnen zu Ehren
eine Party veranstalten. Solch hohen Besuch wollen wir doch gebührend
empfangen«, verkündete Mrs Channing augenzwinkernd. Lucys Einwand schien sie
völlig überhört zu haben.
Bartolla beugte sich zu Francesca hinüber. »Sie starren mich so an
– gefällt Ihnen mein Kleid nicht?« Sie lächelte, doch ihre grünen Augen
blickten forschend.
»Ich kenne keine andere Frau, die sich derart umwerfend kleidet«,
erwiderte diese wahrheitsgemäß. Bartolla war noch prunkvoller herausgeputzt
als Francescas Schwester, und auch wenn sie in puncto Eleganz nicht an Connie
heranreichte, war doch klar, wer von beiden mehr Blicke auf sich ziehen würde.
Die Bemerkung schien Bartolla zu schmeicheln. Während Francesca
sie anlächelte, dachte sie insgeheim, eine Frau wie diese müsse zweifellos
Feinde haben.
Als sich Bartolla Lucy
zuwandte, gefror ihr Lächeln. »Wie wunderbar es sein muss, als eine
Bragg-Erbin aufzuwachsen.«
Lucy lächelte gekünstelt. »Es
war wunderbar, als eine Bragg-Tochter aufzuwachsen, Punkt. Ich habe Eltern, die ich
achte, bewundere und verehre, nicht zu reden von meinen fünf Brüdern, meinem Halbbruder
und Calder, den ich als Stiefbruder betrachte. Ich liebe jeden Einzelnen von
ihnen, auch wenn sie allesamt noch so durchtrieben und nichtsnutzig sind.
Außerdem habe ich noch Dutzende von Cousins und Cousinen, Tanten und Onkel und
natürlich Großpapa Derek und Großmama Miranda. Wir sind eine Familie mit sehr
engem Zusammenhalt, auch wenn wir über das gesamte Land verteilt leben und manche
sogar in England. Ich betrachte mich als außerordentlich glücklichen Menschen.«
»Ihr Mann betrachtet sich vermutlich ebenfalls als glücklichen
Menschen«, bemerkte Bartolla in allzu süßlichem Ton. Die unterschwellige
Anspielung war nicht zu überhören – dass Lucys Mann sie nur wegen ihres
Vermögens geheiratet habe. »Haben Sie beide nicht die Bragg-Ranch gewissermaßen
geerbt? Ich glaube mich zu erinnern, davon gelesen zu haben.«
Lucy versetzte, ebenfalls zuckersüß: »Mein Mann hat sich auf den
ersten Blick in mich verliebt. Wir lieben einander noch immer. Und ja, es war
ein ganz unglaubliches Hochzeitsgeschenk – die gesamte Ranch meiner Großeltern!
Natürlich mussten wir uns ihr Vertrauen erst verdienen. Doch das ist eine lange
Geschichte. Sind Sie eigentlich verheiratet, Mrs ... äh ...?« Sie legte mit
gespielter Arglosigkeit den Kopf schief.
Francesca seufzte. Am liebsten hätte sie die beiden ermahnt, die
Krallen wieder einzuziehen.
»Ich bin verwitwet. Gott möge der Seele
meines lieben verstorbenen Mannes Frieden schenken«, erwiderte Bartolla mit
einem Ausdruck tiefer Trauer, eine zitternde Hand auf die Brust gelegt. An
einem Finger prangte ein auffallend großer Smaragdring.
»Wie traurig«, entgegnete Lucy mit einer Handbewegung, die ihren
Ring zur Geltung brachte. Der gelbe Diamant darin war beinahe so groß wie
Bartollas Smaragd, und es schien fraglich, welcher der beiden Ringe wertvoller
war.
»Oh, es
gibt Salate zu Mittag. Wie köstlich«, unterbrach Francesca. Sie befürchtete,
wenn niemand den beiden Frauen Einhalt gebot, würden bald Messer über die
Tafel fliegen.
Doch Lucy
ließ sich nicht ablenken. »Meine Güte, wie beeindruckend! Sie haben also einen
italienischen Grafen geheiratet. Ich habe Europa recht ausgiebig bereist.
Benevente – der Name ist mir vertraut. Ich frage mich, ob ich Ihren Gatten wohl
gekannt habe?«
»Das
bezweifle ich«, versetzte Bartolla mit verkrampftem Lächeln.
»Aber wir haben uns doch gewiss in denselben Kreisen bewegt – oder
nicht?« Lucy klimperte unschuldig mit ihren großen blauen Augen.
»Gewiss doch.« Bartolla
weigerte sich einzugestehen, dass sie und ihr Mann durchaus nicht zu denselben
gesellschaftlichen Kreisen Zutritt gehabt hatten wie die Braggs, da sie nicht
vermögend genug waren.
»Und schottischen Lachs gibt es
auch«, unterbrach Francesca strahlend. Dann warf sie Lucy einen finsteren Blick
zu, der besagte: Nun reicht es aber. »Welch ein wundervolles Essen.«
»Ich hoffe doch, die jungen
Damen haben Appetit«, sagte Mrs Channing. An Lucy gewandt, fügte sie
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