Brenda Joyce
verstößt, über diese Angelegenheit Stillschweigen zu bewahren.«
Lucy stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Ich danke Ihnen.«
Und lächelnd fuhr sie fort: »Ich werde den anderen erzählen, wir seien hinauf
in meine Suite gegangen, um nach den Zwillingen und Roberto zu sehen.«
Francesca nickte zustimmend – das war eine weitaus plausiblere
Lüge. Doch eine Lüge war es trotz allem, und diese Tatsache bereitete ihr
großes Unbehagen.
Während sie am Empfangstresen vorbeigingen,
vertraute Lucy ihr an: »Ich verstehe, wie Sie sich fühlen – ich hasse es, die Menschen
anzulügen, die ich am meisten liebe!«
»Mit Lügen kommt man im Allgemeinen nicht viel weiter.« Francesca
hielt nach dem Tisch der Braggs Ausschau. Der Commissioner war aufgestanden.
Bereits auf die Entfernung war sein eindringlicher, argwöhnischer Blick
deutlich zu erkennen.
»Oh, das trifft sich ausgezeichnet – gerade kommen die Channings an!«,
stellte Lucy leise fest.
Francesca warf einen Blick über die Schulter und sah Sarah und
ihre Mutter durch die große, zweiflügelige Eingangstür treten. Die beiden
Frauen verschwanden schier in ihren gewaltigen Zobelpelzmänteln.
Bragg ging ihnen entgegen. »Wo seid ihr beide gewesen?«, wollte
er wissen und blickte abwechselnd Francesca und Lucy eindringlich an.
»Wir waren oben in meiner Suite, um nach den Zwillingen und
Roberto zu sehen«, antwortete Lucy mit strahlendem Lächeln. »Und bei der Gelegenheit
habe ich Francesca ein paar Fotos von der Ranch und von Shoz gezeigt.«
Francesca
lächelte Bragg ebenfalls an.
Dieser erwiderte das Lächeln nicht. Er durchschaute die Lüge
sofort.
Rathe war ebenfalls vom Tisch aufgestanden und kam auf sie zu, wobei
er seine Tochter aufmerksam musterte. »Geht es dir gut? Ist mit den Kindern
alles in Ordnung?«
»Jack hat sich ein wenig den Magen verdorben, aber davon abgesehen
könnte es uns allen nicht besser gehen«, behauptete Lucy verräterisch heiter.
Ihr Vater blickte sie lange an. Nach schier endlosem Schweigen
sagte er schließlich: »Gut.«
Francesca spürte, dass er einen Verdacht
hegte. Zu allem Übel kam nun auch noch Grace dazu und fragte ihre Tochter: »Hast du
etwa geweint?«
»Natürlich
nicht. Ich habe eine Allergie.«
Rathe und
Grace wechselten einen vielsagenden Blick, dann wandte sich Rathe an Francesca.
»Wir freuen uns schon darauf, morgen Abend Ihre Eltern zu treffen. Es ist eine
ganze Weile her, dass Andrew und ich einen Abend damit zugebracht haben, sämtliche
politischen und gesellschaftlichen Probleme dieser Welt zu lösen.«
Francesca lachte – ein befreiendes Lachen
nach den vergangenen angespannten Minuten. Doch gleich darauf sah sie, dass
Rourke Lucy beiseite nahm. Er wirkte verärgert. Francesca tat, als habe sie es
nicht bemerkt, doch insgeheim lauschte sie angestrengt. Was immer er seiner
Schwester zuflüsterte – Lucy wurde zornig und riss sich trotzig von ihm los.
»Die Channings sind eingetroffen«, bemerkte
Bragg leise.
»Es tut mir furchtbar Leid, dass wir so spät
kommen!«, entschuldigte sich Mrs Channing, während sie ihren Zobel einem Hotelbediensteten
reichte, der wie aus dem Nichts plötzlich zur Stelle war. »Aber dieser
grässliche Detective ist noch einmal zu uns gekommen und hat Sarah und die
Gräfin mit endlosen Fragen gequält. Es war unsäglich!« Sie warf Bragg
einen finsteren Blick zu, als trüge er die Schuld daran. »Sarah, Liebes, so
lege doch deinen Zobel ab«, fügte sie hinzu.
»Es tut mir Leid, wenn Inspector O'Connor Ihnen Unannehmlichkeiten
bereitet hat, Mrs Channing. Mir war nicht bekannt, dass er Sie und Ihre Tochter
heute Abend noch einmal zu befragen gedachte.«
»Es war wirklich der denkbar ungünstigste Zeitpunkt«, beklagte
sich Mrs Channing, doch zugleich wandte sie sich bereits mit strahlendem
Lächeln Rathe und Grace zu.
Bragg beeilte sich, alle Anwesenden
miteinander bekannt zu machen. Währenddessen fiel Francesca auf, dass Rourke
Sarah von oben bis unten musterte. Beim Anblick von deren Kleid zuckte sie
innerlich zusammen, und wie sie bemerkte, erging es Rourke nicht anders.
Ohnehin sah Sarah gar nicht gut aus. Sie war
viel zu blass und hatte hektische rote Flecken auf den Wangen. Zudem trug die
zierliche Frau mit dem zarten Gesicht ein Kleid, das sie förmlich zu erdrücken
schien. Zwar stand ihr die Farbe – ein dunkles Smaragdgrün – gut, doch das
Volumen, die schiere Fülle an Stoff ließ Sarah plump wirken, obgleich sie doch
in Wirklichkeit
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